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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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besteht. Die folgenden Schreibweisen sind demnach zulässig:
Hallo Kollege!
Hi Leonie!
Hey Tim!
Na du!
Servus Peter!
Huhu Mausi!
Ciao Bella!
Tschüs Dicker!
    Und was für Briefe und E-Mails gilt, das gilt natürlich auch für Internet-Foren und Chats. Und erst recht für Textnachrichten (SMS), bei denen Ökonomie schon immer eine größere Rolle spielte als Orthografie. Der Verzicht aufs Komma lässt sich sogar plausibel begründen.
    Das Komma wurde ja ursprünglich nicht erfunden, um die Menschen zu verunsichern, um Sätze zu entstellen oder um Kosten zu verursachen. Sondern – im Gegenteil – um Klarheit zu schaffen. Wenn aber auch ohne Komma alles klar ist, dann ist das Komma nicht zwingend erforderlich.
    Bei »Hallo Kollege!« ist unmissverständlich, dass jemand seinen Kollegen begrüßt. Ein Komma würde am Sinn nichts ändern. Daher kann man in diesem Falle darauf verzichten.
    Ob man »Grüß dich, Opa!« mit oder ohne Komma schreibt, spielt keine Rolle. In jedem Fall fühlt sich der Opa angesprochen. Etwas anderes ist es bei »Grüß dich Gott«: Wer hier ein Komma setzt (»Grüß dich, Gott!«), der hat offenbar eine göttliche Erscheinung. Oder er ist die Biene Maja und trifft sich gerade mit dem Sänger Karel.
    Innerhalb der Anrede kann also ein Komma stehen oder auch nicht. Die Entscheidung bleibt dem Schreibenden überlassen. Außerhalb der Anrede sind die Regeln weniger elastisch: Steht die Anrede vor oder hinter oder mitten in einem Satz, so wird sie immer durch Komma abgetrennt:
Hallo, wie geht’s? ( Auch : Hallo! Wie geht’s?)
Ich möchte dir, liebe Moni, von ganzem Herzen danken.
Wie geht’s, Alex?
    Ein leichtfertiger Verzicht aufs Komma kann hier schwerwiegende Folgen fürs Verständnis haben. Im letzten Beispiel (»Wie geht’s, Alex?«) ändert sich durch Weglassen des Kommas (»Wie geht’s Alex?«) nicht nur die Zeichenzahl, sondern auch die Perspektive. Vor allem für Alex. Ist Alex mit Komma noch selbst der Angesprochene, steigt er ohne Komma zum Gegenstand der Unterhaltung ab.
    Kommaregeln sind nicht sehr beliebt und werden daher oft unterschätzt. Manchmal aber kann ein Komma sogar über Leben und Tod entscheiden. Der Buchtitel »Jetzt koch ich, Mama!« ist ohne Komma jedenfalls nicht zur Nachahmung zu empfehlen.
Weiteres zur Zeichensetzung:

»Das gefühlte Komma« (»Dativ«-Band 2)
»Darauf können Sie zählen« (»Dativ«-Band 4)
und auf den folgenden Seiten dieses Buches

Mit und ohne Komma gedroht
    »Klimakonferenz droht, im Chaos zu versinken«, titelte ein Online-Magazin im Dezember 2011. Das war einerseits erschreckend, andererseits ein willkommener Anlass, darauf hinzuweisen, dass das Verb »drohen« unterschiedliche Bedeutungen mit jeweils unterschiedlichen Konsequenzen für die Zeichensetzung hat.
    »Abendrot, Schönwetterbot’ – Morgenrot, schlecht Wetter droht.« Diese gereimte Bauernregel habe ich schon als Kind gelernt – und auch, dass das Wort »drohen« verschiedene Bedeutungen haben kann. Nicht immer musste es dabei gleich um etwas so Schlimmes wie Fernsehverbot oder Taschengeldentzug gehen.
    Zum einen gibt es »drohen« in der Bedeutung »bevorstehen«, »heraufziehen«, »im Verzug sein«. Dieses »drohen« ist unpersönlich, es ist nicht an Menschen, sondern an Ereignisse geknüpft:
Gefahr droht!
Am Wochenende drohen Hagelschauer.
Uns allen droht das baldige Ende!
    Zum anderen kann »drohen« sehr persönlich sein: Jemand droht einem anderen damit, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. In diesem Fall bedeutet »drohen« so viel wie »eine Drohung aussprechen«, »ankündigen«, »einschüchtern«. Der Inhalt der Drohung befindet sich meistens in einem abhängigen Infinitivsatz, der durch ein Komma abgetrennt wird:
Er droht ihr, das Haushaltsgeld zu kürzen.
Die Kanzlerin drohte, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen.
    Dieses »drohen« lässt sich immer daran erkennen, dass man ein »damit« einfügen könnte:
Er droht ihr damit, das Haushaltsgeld zu kürzen.
Die Kanzlerin drohte damit, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen.
    Neben »bevorstehen« und »androhen« hat »drohen« aber noch eine dritte Bedeutung, nämlich »Gefahr laufen« oder »in Gefahr sein«. In diesem Fall, der dem ersten »drohen« sehr ähnlich ist, wird keine Drohung ausgesprochen, sondern eine Be drohung aufgezeigt. Damit die Bedrohung nicht mit einer Drohung verwechselt werden kann, folgt ihr kein Komma:
Der Gesetzentwurf droht am Widerstand der Opposition zu scheitern.
Die

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