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Der David ist dem Goliath sein Tod

Der David ist dem Goliath sein Tod

Titel: Der David ist dem Goliath sein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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für My Way  – die selbst als Nachbildung eine Fälschung war, denn Sinatra hat für diesen Song keine Goldene Schallplatte bekommen. Trotzdem ist My Way der beste Titel, um beispielsweise stilvoll dem Erdreich überantwortet zu werden. Zumindest passender als I will survive .
    Sinatra, der in den Sechzigern im Sands in Las Vegas mit einer Attitüde auftrat, als bestehe das Publikum eigentlich nur aus Pennern, die wie durch ein Wunder in sein Wohnzimmer gefunden hatten, begann in den Neunzigern mit einer ausgedehnten Tournee über den Planeten, in deren Verlauf er dann doch ein gewisses Interesse für zahlende Fans an den Tag legte. Im Dezember 1993, so die Plakate an der Litfaßsäule meines Vertrauens, würde der Weg Sinatras nach Dortmund führen, und zwar im Alter von 78 Jahren.
    Auf meiner To-do-Liste des Lebens, also den Dingen, die es für einen Mann zu tun gibt, bevor er stirbt, standen viele, viele Punkte. Sinatra live zu sehen, koste es, was es wolle, rangierte auf den oberen Rängen, eingepfercht zwischen »Haare wachsen lassen, dann beim Friseur eine Dauerwelle in Auftrag geben, die man direkt vor Ort abrasieren lässt, um die Angestellten zu schocken« und »Ein Kind in die Welt setzen, wobei man einen Jungen Luke Skywalker und ein eventuelles Mädchen Barbarella nennt«.
    Apropos Barbarella: Auf der Liste waren noch einige Punkte, zum Beispiel »Mit Jane Fonda schlafen«, aber dieser Punkt stammte noch aus den Siebzigern und rutschte über die Jahre immer weiter nach unten, bis er noch hinter »Öfter feuchtes Toilettenpapier benutzen« landete. Egal. Sinatra live war ab sofort Platz 1.
    Das Plakat noch auf der Netzhaut, rannte ich zum Kartenverkaufsschalter in der Innenstadt; vielleicht ein bisschen übertrieben, wenn man bedenkt, dass wir Februar hatten, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Der Schalter befand sich in einer wundervoll gestalteten Passage, die früher auch einen ehrwürdigen Buchladen beherbergt hatte, welcher allerdings mittlerweile von H&M verschlungen worden ist. Das leuchtet natürlich ein. Bücher gibt es sowieso auf jedem lausigen Flohmarkt, zumeist in gutem Zustand – aber Jeans, die aussehen, als kämen sie von einem lausigen Flohmarkt, bietet nur H&M mit einer Selbstverständlichkeit an, die neu und aufregend, wenngleich vollkommen für den Arsch ist.
    Der Vorverkaufsschalter war ein viereckiges Loch und bot gerade eben Platz für eine Person, einen Locher und eine Handvoll Musicalflyer.
    Die Dame des Lochs war ganz gepuderter Gleichmut, vielleicht Mitte fünfzig; sie strickte nicht, aber ihr Blick war verschleiert, so als würde sie gleich damit beginnen. Sie hob den Kopf.
    Â»Westernhagen«, sagte sie mit Kennermiene.
    Â»Blödsinn«, erwiderte ich.
    Ihr Blick, nun weniger verschleiert, tastete in meinem Gesicht, um meine Mimik nach einer Band oder einem Solokünstler abzusuchen. Es schien eine Art Hobby zu sein; vielleicht hielt sie es auch für Menschenkenntnis.
    Ich wartete, kam ihr aber dann zu Hilfe.
    Â»Sinatra, zweimal. Gute Plätze.«
    Â»Wer?«, fragte sie.
    Ich legte den Kopf schräg und dachte: Sie veralbert dich, gefolgt von dem Gedanken, dass sie die letzten vierzig Jahre etwas anderes getan haben könnte als Radio zu hören, Zeitschriften zu lesen, ins Kino zu gehen, TV zu schauen oder sonst irgendwie am Leben teilzunehmen. Gleichzeitig gestand ich ihr gütig zu, vielleicht nicht jeden japanischen Godzillafilm gesehen zu haben oder Studioalben von Ostblocksuppenwürfelmachenkrebs zu sammeln. Ich gestattete ihr sogar in aller Stille, die meisten Miami-Vice -Folgen nicht zu kennen, auch oder vor allem, da Sinatra in einer mitgespielt hatte, aber verdammt! Sie mochte Ricardo Tubbs nicht kennen, aber doch Corega Tabs und somit, zeitbedingt, wohl auch Frank Sinatra. Das war nicht zu viel verlangt.
    Dann hörte ich bei ihr den Groschen fallen.
    Â»Frank Sinatra?«, fragte sie.
    Nicht doch – Horst Sinatra, dachte ich. Panflötenspieler aus Wattenscheid.
    Â»In der Tat. Frank Sinatra. Nebst Orchester. Westfalenhalle. Dortmund.«
    Sie öffnete einen schmalen Katalog und fuhr mit dem Finger dicht geschriebene Zeilen ab.
    Â»Da«, sagte sie desinteressiert. »Tatsache. Frank Sinatra und Band. Das sind aber noch ein paar Monate. Ende des Jahres.« Dann fügte sie gedankenverloren hinzu: »Erst im Winter. So lange noch.

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