Der demokratische Terrorist
ist die Sache am einfachsten aus der Welt zu schaffen«, entschied sie kurz.
Carl stöhnte. Dann riß er vorsichtig das Pflaster ab, das fest in den Bartstoppeln klebte. Darunter wurde eine zusammengeflickte, im Zickzack verlaufende Wunde sichtbar, die mit etwa zehn schwarzen Wundnähten verschlossen war.
Carl stand auf und zog sich mit Mühe sein blutiges Hemd aus. Der gesamte Brustkorb und ein Teil der linken Schulter waren bandagiert. An mehreren Stellen sickerte das Blut durch.
»Hat jemand eine Schere?« fragte er. Werner Porthun sah schon jetzt ein wenig unschlüssig aus, konnte aber nicht mehr zurück.
Monika half Carl vorsichtig dabei, die Bandagen zu lösen. Das Einschußloch unter dem linken Schlüsselbein war ein runder, kleiner, dunkelroter Ring mit blauen Stellen drumherum. Das Austrittsloch über dem Schulterblatt war etwas größer und vernäht. Auf dem Brustkorb waren die fünf Einschnitte, die Mouna gemacht hatte, mit mehr als fünfzig Stichen vernäht.
»Wollt ihr auch die Schußwunde im Schenkel sehen?« fragte Carl kalt, bewußt kalt, da es jetzt darauf ankam, daß er überzeugend Theater spielte.
Die Genossen verzichteten erschreckt. Einer der Messerstiche in der Brust blutete jetzt wieder heftig.
»Könnt ihr mir einen Pullover, einen Morgenmantel oder irgend etwas geben? Mir ist kalt«, sagte Carl und ließ sich wieder in den Sessel fallen. Am meisten taten ihm die blutenden Wundränder an der Brust und die Umgebung des Austrittslochs über dem Schulterblatt weh.
»Daß sie dich im Krankenhaus in diesem Zustand haben gehen lassen«, sagte Monika.
»Wie ihr wißt, hatte ich es verdammt eilig, und außerdem war meine Anwesenheit nicht sonderlich erwünscht«, erwiderte Carl und spürte, daß er das Spiel gewonnen hatte.
»Ich bitte dich um Verzeihung, aber ich hoffe, daß du mich verstehst. Wir sind manchmal zu extremen Sicherheitsvorkehrungen gezwungen«, sagte Werner Porthun. Seine Stimme klang beinahe beschämt.
»Selbstverständlich. Ich hätte genau wie du argumentiert«, sagte Carl ohne die leiseste Ironie in der Stimme.
Eva Sybille kam mit einem großen, weichen amerikanischen Baumwoll-Sweatshirt herein und half Carl behutsam, es überzuziehen.
»Kommen wir wieder zu Sache«, bemerkte Carl, der jetzt eine Möglichkeit sah, die Initiative an sich zu reißen. »Ich wiederhole: Ich weiß nicht, wie und wann die Waffen in Hannover eintreffen. Das wußte nur Horst Ludwig. Aber ihr habt doch sicher Kontakt zu seiner Gruppe? Die müssen doch Bescheid wissen?«
»Habt ihr die Waffen bekommen, die ihr haben wolltet?«
fragte Martin Beer.
»Ja, darauf kannst du Gift nehmen. Wir haben sechs RPG 18 und mindestens ein Dutzend Geschosse, wenn wir die Lieferung sicherstellen können. Das reicht aus, um eine halbe Panzerbrigade außer Gefecht zu setzen.«
»Eva Sybille, du gehst sofort in die Peterstraße rüber und setzt sie ins Bild. Denk an die üblichen Vorsichtsmaßnahmen«, kommandierte Friederike Kunkel. Eva Sybille erhob sich sofort und ging hinaus.
»Peterstraße?« fragte Carl. Er war aufrichtig überrascht, daß sie die Adresse genannt hatte.
»Ja, das ist unser Schwesterkommando in der Stadt. Und sie sind es, die die Ware in Empfang nehmen sollen. Wann kann bekannt werden, daß Horst Ludwig und Barbara gefallen sind?«
»Schwer zu sagen. Man wollte sie in die Schweiz überführen. Sie reisten ja mit Schweizer Pässen. Die Frage ist also, was dort mit zwei gefolterten jungen Europäern geschieht, die gefälschte Papiere bei sich hatten.«
»Es dürfte keine vierundzwanzig Stunden dauern, dann haben sie die Bullen vom BKA da, und damit ist die Sache geplatzt.
Ihre Fingerabdrücke befinden sich im Archiv. Man hat sie schon mal festgenommen«, sagte Martin Beer.
»Aha«, bemerkte Carl. »Zwei Genossen gefallen, und dann noch große Publizität. Aber daraus allein können die Bullen noch keine Schlußfolgerungen ziehen. Sie werden glauben, in Syrien habe es irgendeine interne Auseinandersetzung unter Terroristen gegeben. Strenggenommen handelt es sich ja auch genau darum…«
Er spürte, wie im Raum das Licht ausging. Dann fiel er in Ohnmacht.
Carl lag vier oder fünf Tage im Bett - er wußte es später selbst nicht mehr genau -, bis das Fieber nachließ. Martin Beer und Monika wechselten sich mit der Pflege ab. Sie wuschen die vereiterte Wunde auf der Brust und gaben ihm fiebersenkende Präparate. Er war ganz einfach zusammengeklappt. Er schaffte es nicht, wieder auf die
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