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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Beine zu kommen, mochte die Lage noch so ernst sein. Er fühlte sich schlapp und zittrig, als er jetzt im Bett lag und sich auf die wichtige Begegnung mit den anderen Kommandos einzustimmen versuchte. Einige der Neuigkeiten, die Martin ihm mitgeteilt hatte, waren höchst alarmierend.
    Die Waffen befanden sich nicht mehr in Hannover. Nach der Aufregung am ersten Tag nach Carls Ankunft hatte man mit Hilfe französischer »Genossen« vier der sechs Waffen und acht Geschosse nach Frankreich geschmuggelt. Als Carl verblüfft fragte, warum sie dieses überflüssige Risiko eingegangen seien, hatte ihm Monika erklärt, die Franzosen hätten einen bombensicheren Schmuggelweg, der in den letzten zwei Jahren nicht einmal versagt habe. Deshalb sollten die Franzosen die Waffen nach Stockholm bringen.
    Monika hatte auch bestätigt, daß die Belgier jetzt endgültig am Unternehmen teilnahmen.
    Auch das war eine sehr unangenehme Neuigkeit gewesen. Die belgischen Terroristen unterschieden sich in einem Punkt entscheidend von den französischen und deutschen Genossen - sie mordeten blindwütig und schlugen bedenkenlos gegen Menschen zu, die man auch mit größter Phantasie nicht mit irgendeinem militärischen Feind in Verbindung bringen konnte.
    »Die wahnsinnigen Mörder von Brabant« hatte die belgische Presse die Bande eine Weile genannt, bevor die Zusammenhänge klar wurden. Unfreiwillige Zuschauer ihrer Überfälle hatten sie ohne jeden Grund ermordet. Ihre blutigste Attacke hatte sich gegen einen Warenhauskonzern gerichtet, eine Filiale in einem Ort namens Braine l’Alleud. Als sie nach diesem Überfall auf die Straße stürzten, zu ihrem VW Golf GTI, ihrer bevorzugten Automarke, hatten sie auf die Umgebung das Feuer eröffnet und mehr als fünfzehn Menschen getötet, darunter einen zwölfjährigen Jungen. Einer ihrer Anführer war Polizeibeamter gewesen. Er hieß Michel Cocu, wurde schon 1983 gefaßt, aus unerfindlichen Gründen aber wieder freigelassen. Vor kurzem hatte man ihn erneut festgenommen.
    Siegfried Maack hatte die Vermutung geäußert, der Mann könne Infiltrant sein. Aber ein Infiltrant, der sich an Massenmorden beteiligt? Sie hatten die Vermutung schnell ad acta gelegt.
    Aber jetzt waren diese blindwütigen Mörder im Spiel. Und: Die Waffen waren nicht mehr unter Kontrolle. Carl graute vor der Vorstellung, wie er seinen Vorgesetzten das beibringen sollte.
    Er mußte versuchen, das Unternehmen jetzt fest in den Griff zu bekommen und sich um eine führende Position bei der Vorbereitung bemühen.
    Er stand auf. Mit weichen Knien ging er ins Bad, stellte sich unter eine lauwarme Dusche, während er alle Willenskraft aufbot, um klar zu denken. Dann rasierte er sich und zog die neuen Kleidungsstücke an, die Monika auf seine Bitte hin für ihn gekauft hatte. Seine Hände arbeiteten immer noch unbeholfen, und es tat jedesmal weh, wenn er den linken Arm bewegte.
    Er brauchte aber keine Schlinge mehr zu tragen.
    Die Zusammenkunft unten im Wohnzimmer wurde in Popmusik ertränkt. Das war vermutlich als Schutz gegen eventuelles Abhören gedacht, war in diesem Fall aber völlig sinnlos.
    Wurden sie belauscht, waren sie geortet, und wenn sie geortet waren, hätte man schon längst gegen sie vorgehen können. Das hätte ihnen eigentlich klar sein müssen.
    Unten entdeckte Carl zwei neue deutsche Genossen, die er noch nicht kannte. Eine glaubte er wiederzuerkennen. Es mußte sich um die fünfunddreißigjährige Silke Meyer handeln. Sie hatte Ohren ohne Ohrläppchen und war etwa 1,70 Meter groß. Falls sie es war, hatte sie das Haar gefärbt, sich eine Brille zugelegt und die Ohren unter der Frisur versteckt.
    Die beiden französischen Genossen stachen auf fast komische Weise von den Deutschen ab. Der Mann, der das Wort führte und sich als »Militärischer Chef der Delegation« vorstellte, hieß Alain Detoureille. Er war dunkelhaarig, hatte kurzgeschnittenes Haar, trat elegant und militärisch zugleich auf und trug eine Wildlederjacke, die etliche tausend Francs gekostet haben mußte, kurze, geschmeidige Lederstiefel, die nicht militärisch, sondern eher modisch wirkten, taubenblaue Cordhosen, eine weinrote Strickjacke und ein weißes Hemd mit offenem Kragen. Der Mann wirkte wie aus einem Modejournal ausgeschnitten, aber seine Ausstrahlung hatte auch etwas Entschlossenes, Abruptes an sich, was Carl an einen Soldaten denken ließ.
    Detoureilles Genosse entsprach eher Carls Vorstellungen. Jean-Michel, wie er sich vorstellte, hatte

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