Der demokratische Terrorist
wieder zu bluten begonnen.
Das war zwar gut für sein bevorstehendes Theaterspiel, schwächte ihn aber und machte ihn schläfrig und besorgt. Lange Zeit fuhren sie schweigend durch die Dunkelheit.
»Hast du die beiden Terroristen getötet?« fragte Siegfried Maack unvermittelt.
Carl antwortete nicht. Er schwieg fast fünf Minuten lang, und Siegfried Maack erwartete schon keine Antwort mehr.
»Dem Gesetz zufolge bist du also nicht verpflichtet, Verbrechen zu melden, von denen du Kenntnis erhältst? Und das, weil du beim Verfassungsschutz und nicht bei der Polizei bist? Stimmt das?« fragte Carl schließlich.
»Ja, so ist es.«
»Ich habe sie getötet, alle beide. Die Palästinenser verlangten es, damit… nun ja, als eine Art Garantie dafür, daß ich auch die Wahrheit sage. Sonst hätten sie uns alle drei umgebracht.«
Danach schwiegen beide. Carl schlief ein und wachte erst in Hamburg auf. Maack ließ ihn in der Nähe eines U-Bahnhofs ein paar Kilometer von der Stadtmitte entfernt aussteigen.
Es war Monika, die ihm aufmachte. Sie fuhr zurück, unterdrückte aber trotzdem beherrscht einen Schrei. Dann zog sie Carl schnell in die Wohnung und schloß die Tür.
»Weck die anderen, falls sie nicht noch auf sind. Wir haben einen Notfall«, flüsterte Carl. Er hängte seine Jacke auf einen Haken und sah sich gezwungen, Monika sofort beiseitezuschieben, die seine Wunden untersuchten wollte. Sein Hemd war auf der Brust voller Blut.
»Beeil dich. Weck die anderen«, wiederholte er, zwängte sich an ihr vorbei und ging durch das leere Wohnzimmer zur Wendeltreppe, stieg mit schnellen Schritten die Treppe hinauf und betrat sein Zimmer, das neben ihrem lag. Dort versteckte er sein neues Zusatzmagazin für die Beretta. Damit war die zunächst größte Schwierigkeit überwunden und erledigt. Es wäre ihm schwergefallen zu erklären, warum er mit einem Magazin ohne dazugehörende Pistole durch die Gegend reiste.
Er stellte seine Reisetasche ab, ging ins Bad und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Der Anblick, der ihm im Badezimmerspiegel begegnete, war für sein Täuschungsmanöver schauerlich genug. Das eine Auge, mit dem er immer noch nichts sehen konnte, war bis auf einen schmalen Schlitz blaugrün verfärbt und zugeschwollen. Auf derselben Wange saß noch ein großes Heftpflaster. Die Bartstoppeln von achtundvierzig Stunden verschlimmerten den Anblick noch; er erinnerte sich an Farbfotos von einem älteren Säufer, der entweder von der Polizei in Stockholm-Süd mißhandelt worden oder aber in seiner Ausnüchterungszelle »hingefallen« war. In Monikas Zimmer stand eine offene Whiskyflasche. Daneben sah Carl ein halbleeres Glas. Er packte die Flasche am Hals und ging zu den anderen hinunter, die sich schlaftrunken vor dem erloschenen Kaminfeuer im Wohnzimmer versammelt hatten. Friederike Kunkel hatte einen rosafarbenen Morgenmantel mit hellblauen Blumen umgeworfen, der in scharfem Gegensatz zu ihrer Miene stand.
»Die Genossen sind tot, alle beide. Aber die Waffen sind unterwegs. Sie werden heute nacht oder morgen früh in Hannover ankommen«, begann er und ließ sich ächzend in einen der Sessel fallen. Er nahm einen Schluck direkt aus der Whiskyflasche und stellte sie neben dem Sessel auf den Fußboden.
»Wer hat sie getötet? Wo, wann, wie? Und wann wird es herauskommen?« fragte Friedrike Kunkel mit fest aufeinandergepreßten Lippen. Sie sah eher aggressiv als erschüttert aus. Die anderen reagierten normaler. Der Raum wurde plötzlich von einem starken Geruch nach menschlicher Furcht erfüllt.
»Palästinenser der PLO haben uns erwischt. Sie wollten die Aktion stoppen. Die müssen bei den Leuten Abu Nidais einen Maulwurf sitzen haben. Ja, es war Abu Nidal, der uns die Waffen verkaufte. Die Palästinenser folterten uns, um etwas aus uns herauszuquetschen und uns die Waffen wegzuschnappen. Es war aber nur Horst Ludwig, der den Schmuggelweg kannte, und die Waffen waren schon unterwegs. Sie töteten ihn zuerst. Dann Barbara. Und als sie mit mir anfingen, kam syrische Sicherheitspolizei, so daß sie ihren Job nicht zu Ende bringen konnten.«
Carl nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche und wartete die Wirkung seiner Worte ab.
»Was hast du für Verletzungen?« fragte Monika weich.
»Sie haben mir die Brust zerschnitten, außerdem habe ich Prügel bezogen, wie ihr seht, dann einen Schuß durch den Schenkel und einen durch die Schulter. Es waren beides glatte Durchschüsse.«
Er zog eine Schmerzgrimasse
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