Der Derbysieger
Schublade. »Was wollen wir spielen - Piquet oder Bezique?«
»Piquet«, antwortete Janet prompt und holte aus einer anderen Schublade eine Schachtel Pralinen hervor.
»Zehn Pfund für hundert Punkte«, schlug Milton vor.
»Nein, ein Schilling für tausend«, erklärte sie.
Aber sie wurden schon wieder unterbrochen, als sie kaum angefangen hatten zu spielen. Es klopfte leise an der Bürotür, und Milton raffte die Karten rasch zusammen. Janet hatte gerade noch Zeit genug, an ihre Maschine zu eilen. Sie schrieb mit rasender Geschwindigkeit, als Monsieur Soltescu hereintrat.
»Sind Sie Mr. Sands?« fragte er.
»Ja. Nehmen Sie bitte Platz, Monsieur Soltescu.« »Woher kennen Sie mich denn? Sie haben mich doch noch nicht gesehen?« fragte der Rumäne lächelnd. Er fühlte sich sehr geschmeichelt.
»Ein Detektiv muß alle Leute kennen - wenigstens alle bedeutenden Leute«, erklärte Milton ernst. »Auf jeden Fall sind Sie mir bekannt. Ich habe Ihren Namen schon öfters gehört. In den Zeitungen wurde ja über die Waffenlieferungen nach den Philippinen berichtet, und wenn ich nicht irre, waren Sie auch einer der Geldgeber für die letzte Revolution in Südamerika. Waren Sie nicht auch in den Raub der Kronjuwelen verwickelt?«
Monsieur Soltescu lachte.
»Sie dürfen nicht allen bösen Gerüchten glauben. Die sind zum größten Teil frei erfunden. Tatsache ist nur, daß ich ein verhältnismäßig großes Vermögen besitze, das mir natürlich Neid und Mißgunst vieler Leute einträgt. Ich kümmere mich aber nicht weiter darum. Ich hätte viel zu tun, wenn ich alle Leute verklagen wollte, die verleumderisch über mich sprechen.«
Er nahm Milton gegenüber am Schreibtisch Platz.
»Ich habe Ihre Annonce im Matin vor etwa drei Wochen gelesen«, sagte Sands. »Deshalb habe ich mich mit Ihnen in Verbindung gesetzt. Ich bin erst seit kurzer Zeit Privatdetektiv, aber ich kenne die Verbrecherbanden, die in den Eisenbahnzügen nach der Riviera arbeiten.«
»Die kommen nicht in Frage«, unterbrach ihn Soltescu sofort.
»Ich glaube, daß mir ein Gelegenheitsdieb die Mappe entwendet hat, und ich habe sogar einen ganz bestimmten Verdacht.«
Milton sah ihn durchdringend an.
»Das glaube ich auch«, entgegnete er ruhig. »Aber sagen Sie mir bitte, wen Sie verdächtigen.«
Soltescu zögerte.
»Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen gleich sagen soll«, erwiderte er vorsichtig.
Milton lachte ironisch.
»Tun Sie nur, was Sie für gut halten. Sie brauchen mein Angebot ja auch nicht anzunehmen. Aber ich kann Ihnen nur sagen, daß es in England niemand gibt, der Ihnen mehr helfen könnte als ich.«
Die letzten Worte sagte er mit so viel Überzeugung, daß er den Rumänen beeindruckte.
»Nun, wir können es ja einmal versuchen«, erklärte Soltescu nach einer kurzen Pause.
»Sie müssen mir natürlich erst alle Unterlagen geben«, entgegnete Milton kurz. »Erzählen Sie mir bitte genau, was Sie verloren haben, und warum Ihr Verdacht auf eine ganz bestimmte Persönlichkeit fällt. Zunächst beschreiben Sie mir einmal die Aktentasche.«
Er griff nach Bleistift und Papier, um die Angaben schriftlich festzuhalten.
»Sie war aus schwarzem, russischem Leder, etwa fünfzig auf fünfunddreißig Zentimeter groß und durchaus nicht auffällig. Sie hatte vier besondere Abteilungen, und als Kennzeichen möchte ich erwähnen, daß mein Monogramm auf der Klappe eingeprägt war.«
Milton machte sich schnell die nötigen Notizen.
»In der Mappe befanden sich nicht ganz vierzigtausend Pfund in englischen Banknoten und etwas französisches Papiergeld. Aber darauf kommt es mir weniger an. Von größtem Wert für mich sind dagegen die Schriftstücke, die darin lagen. Sie waren mit einer Klammer zusammengehalten und enthielten die Beschreibung einer hochwichtigen Erfindung, nämlich des biegsamen Glases. Ursprünglich steckten die sechs Schreibmaschinenbogen in einem Briefumschlag. Bei dem Zusammenstoß ließ ich die Mappe fallen. Eine junge Dame hat die Papiere aufgehoben.« Er sprach langsam und betonte jedes Wort. »Und diese Dame habe ich im Verdacht, daß sie mir die Mappe entwendet hat. Die näheren Gründe möchte ich Ihnen hat. Die näheren Gründe möchte ich Ihnen jetzt nicht mitteilen. Sobald sie mir den Briefumschlag zurückgegeben hatte, ging ich damit in mein Abteil. Damals kam mir zum Bewußtsein, daß die Aufschrift auf dem Kuvert zu unliebsamen Vorfällen führen könnte. Ich nahm die Schriftstücke daher heraus und steckte sie ohne
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