Der deutsche Goldrausch
Merkwürdigkeiten in der Berliner Baubranche. Schmidt und seine Kollegen finden heraus, dass der Baustadtrat Wolfgang Antes, Vorsitzender des CDU-Ortsvereins in Charlottenburg, bestechlich ist. Der CDU-Mann, gelernter Studienrat für Sozialkunde, lässt sich immer wieder kaufen. Will ein Investor zum Beispiel ein Café in der Nähe des Kurfürstendamms eröffnen, muss er Antes bezahlen. 6
Anlass für die SoKo, gegen Antes zu ermitteln, ist letztlich ein Raubüberfall auf eine Tankstelle in Fellbach bei Stuttgart, bei dem eine junge Frau
ermordet wird. Die Spur führt nach Berlin. Die drei Täter werden verhaftet. Es sind freigekaufte DDR-Häftlinge, die ihre Waffen von einem Berliner Schieber bekommen haben. Der Schieber packt aus und erzählt von einem weiteren Verbrechen: Er habe ein Gebäude an der Lietzenburger Straße abgebrannt, um Geld von einer Versicherung zu ergaunern. Die SoKo »Lietze« wird gegründet und sticht in ein Wespennest. Wolfgang Antes gerät ins Visier der Ermittler, als zwei Immobilienmakler, die man zu der Gruppe der Betrüger rechnet, aufeinander schießen und die SoKo »Lietze« in einem Büro des mutmaßlichen Schützen Notizen und Briefe findet, die Antes schwer belasten. 7
Schmidt und seine Ermittler legen in monatelanger Arbeit einen tiefen Korruptionssumpf in der Berliner Baubranche frei. Ein Bauunternehmer hat Antes und alle anderen großen Parteien in Berlin mit Wahlkampfspenden versorgt. Der CDU schaden die Ermittlungen schwer. Die Partei verliert die Macht in Berlin an die SPD und die Alternative Liste. Doch nicht alle Beteiligten kommen vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft einigt sich auf einen Deal mit Antes, um das Verfahren abzukürzen. Nach der Aufdeckung fasst Uwe Schmidt den Fall zusammen: »Wir sind auf so ziemlich alles, was das Strafgesetzbuch hergibt, gestoßen – außer der Vorbereitung eines Angriffskrie-ges.« 8 Wenn also ein Polizist auf die anrüchigen Geschäfte vorbereitet sein kann, die nach der Wende in Berlin eingefädelt werden, dann ist es Uwe Schmidt. Doch schon nach wenigen Monaten merken seine Kollegen und er, dass die normalen polizeilichen Mittel nicht ausreichen, um die Verbrechen zu stoppen. In Berlin sind Gangster aus der ganzen Welt unterwegs. Ex-Stasi-Agenten und Ex-SEDler zweigen Geld ab, altbekannte Betrüger und neue Talente wollen auch noch eine Mark verdienen. Daneben soll die Berliner Kripo die politischen Verbrechen der SED – Schießbefehl an der Mauer, Wahlfälschungen, Verhaftungen von Oppositionellen – aufklären. Schmidt hat das Gefühl, dass das Bundeskriminalamt ihm bei den vielen Fällen, die er zu betreuen hat, nicht helfen kann oder will. Auf jeden Fall hält das BKA sich nach seinem Geschmack zu vornehm zurück. So heftet sich Schmidt, auf sich allein gestellt, mit jungen Berliner Ermittlern an die Fersen von Schiebern, Treuhandbetrügern, Konzernen und Banden, die bei der Währungsunion, bei der Umstellung des Transferrubels und bei Geschäften mit der Treuhand unlauter Geld verdient haben und immer noch verdienen.
Die Ermittler stoßen bei ihrer Arbeit immer wieder auf Dokumente, die belegen, dass der BND und das BfV einen guten Überblick haben, wenn es um die Aktivitäten der KoKo von Alexander Schalck geht. Einem jungen
Beamten wird sogar gestattet, die Akten der Staatssicherheit, kurz nachdem sie sichergestellt worden sind, durchzusehen. Während er das tut, sitzt ein Bundesanwalt mit im Zimmer und kontrolliert, welche Dokumente eventuell unter Verschluss genommen werden müssen, weil sie die Sicherheit der Bundesrepublik gefährden könnten.
Aus Zeugenaussagen und Dokumenten schließen Schmidt und seine Beamten, dass Waltraud Lisowski eine zentrale Rolle für die KoKo gespielt hat. Sie sind überrascht, dass Schalcks Vertraute Ende 1990 noch immer für die »Effect« und damit für die Treuhand arbeitet. Schmidt wendet sich im Januar 1991 an die Behörde. Dort ist inzwischen eine Abteilung für das »Sondervermögen der Parteien« gebildet worden. Zwei Anwälte aus München sind für die SED und die KoKo innerhalb der Treuhand zuständig. Kugelblitz Schmidt warnt die beiden: Lisowskis Tätigkeit ist ein Risiko, Geld könnte verschwinden. Die beiden Anwälte reagieren auf die Warnungen von Uwe Schmidt nicht. Die Interessen der Treuhandmitarbeiter in der Abteilung »Sondervermögen« scheinen, wenn es um Alexander Schalck geht, anderswo zu liegen.
10. Januar 1991, Berlin
Obwohl das Team um Christine Gräfin von
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