Der deutsche Goldrausch
Abteilung, die die Industriebeteiligung des Bundes kontrolliert, stand schon kurz vor ihrer Auflösung, da diese Beteiligungen inzwischen fast alle verkauft sind. Es gibt für die Abteilung VIII also kaum noch eine Verwendung. Nun aber wird sie reaktiviert und bekommt einen Chef von außen: Eckart John von Freyend. Intern, in den Bonner Ministerien selber, fand sich niemand, der die Abteilung VIII und damit die Treuhand kontrollieren wollte. Der mit einer großen Machtfülle ausgestattete Posten scheint heikel zu sein. Der Leiter dieser Abteilung ist nämlich, in Vertretung des Bundesfinanzministers, der eigentliche Chef der Treuhand. Wenn das Finanzministerium eine Entscheidung trifft, haben auch Rohwedder und sein Vorstand sie zu befolgen.
John von Freyend, Sohn eines Wehrmachtsoffiziers, 48 Jahre alt, ist seit zwanzig Jahren Funktionär und Lobbyist des BDI. Nach dem Studium nimmt er 1970 beim Bundesverband der Deutschen Industrie seine Tätigkeit auf. Er arbeitet für den Verband in Köln und Brüssel als Lobbyist und wird schließlich Mitglied der Hauptgeschäftsführung. Als ihm 1989 der Aufstieg zum Chef verwehrt wird, steigt er beim BDI aus und in den Verlag »Deutscher Wirtschaftsdienst« ein, der seiner Familie gehört. Darüber hinaus arbeitet er 1990 für die Matuschka-Gruppe. John von Freyend berät für die Münchner ein Konsortium von deutschen Mittelständlern, das sich um eine Mobilfunklizenz bewirbt. Den Zuschlag erhält am Ende der ehemalige Stahlkonzern Mannesmann.
Die Abteilung VIII hätte genug mit der Treuhand und dem Verkauf der DDR-Volkswirtschaft zu tun. Doch sie wird für ein weiteres Feld zuständig: die Privatisierung der Deutschen Post und vor allem die Ausgründung der Deutschen Telekom, die mittelfristig an die Börse gebracht werden soll.
Seitdem die Regierung Kohl 1982 in Bonn durch das Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt an die Macht gekommen ist, verfolgt die Koalition das Ziel, die Bundesbeteiligungen zu privatisieren. Zwei Tage nach der Bundestagswahl 1990 schreibt die Regierung in ihrem »Bulletin«: »Die vom Bundeskabinett 1985 gesetzten Privatisierungsziele wurden weit übertroffen. Das Bundeskabinett hat am 12. September 1990 beschlossen, die Privatisierungspolitik konsequent fortzusetzen … In der Regierungserklärung von Bundeskanzler Dr. Kohl vom 4. Mai 1983 heißt es: ›Eine Wirtschaftsordnung ist um so erfolgreicher, je mehr sich der Staat zurückhält und dem einzelnen seine Freiheit läßt … Wir wollen nicht mehr Staat, sondern weniger, wir wollen nicht weniger, sondern mehr persönliche Freiheit.‹ Das ist auch die
Maxime der Bundesregierung bei der Umstrukturierung der Wirtschaft im Gebiet der bisherigen DDR. Eine Politik der Entstaatlichung soll Unternehmen und Bürgern mehr Freiheitsraum geben.« 4
Tatsächlich ist die Abteilung VIII zu diesem Zeitpunkt noch unterbesetzt. Gerade acht Beamte arbeiten dort. Der verantwortliche Bundesfinanzminister Theo Waigel hatte im Mai 1990 versprochen, dass man gemeinsam mit der DDR-Regierung dafür Sorge tragen werde, dass eine »schlagkräftige Beteiligungsverwaltung« aufgebaut wird. 5 Das ist noch immer nicht gelungen.
8. Januar 1991, Bonn
In einer anderen Abteilung des Bonner Finanzministeriums befasst man sich auch im neuen Jahr mit Alexander Schalck und Waltraud Lisowski. Ein Vermerk wird angelegt, aus dem hervorgeht, dass Birgit Breuel als zuständiges Vorstandsmitglied der Treuhand mit den Angelegenheiten der SED-Firmen befasst ist. Das Ministerium will mit Frau Breuel besprechen, warum innerhalb der Treuhand nicht geklärt ist, wie man mit dem Bereich »Kommerzielle Koordinierung« umgehen will.
Doch Birgit Breuel handelt auch, nachdem das Memo aus Bonn in Berlin eingetroffen ist, nicht. Waltraud Lisowski arbeitet weiter für die Treuhand. Ein Konzept, wie die KoKo-Unternehmen durch die Treuhand entflochten werden sollen, liegt Anfang 1991 nicht vor.
Das gefällt einem Berliner Polizisten ganz und gar nicht. Man nennt ihn »Kugelblitz«, weil er eher rundlich ist und dennoch ein ganz eigenes, hohes Tempo hat, oder »Pistolen-Schmidt«, weil er schnell spricht, denkt und noch schneller seine Meinung sagt. Auf seinem Dienstausweis der Kriminalpolizei Berlin steht schlicht: Kriminalhauptkommissar Uwe Schmidt. Dicke Brille, dicker Bauch, kurzes Haar. Schmidt ist in Berlin seit dem Herbst 1985 eine lokale Berühmtheit. Er hat die SoKo »Lietzenburger Straße« geleitet. Diese Sonderkommission stößt auf
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