Der deutsche Goldrausch
Alexander (Name geändert) , fährt Porsche und ist der Direktor für die »Privatisierung«. Er ist also für den Verkauf der Betriebe zuständig. Sabine Silberberg, die Assistentin, muss sich erst an diese
Westler gewöhnen, die in ihrem altem Interhotel wohnen, meist montags in der Früh anreisen und am Donnerstag zurück in den Westen fahren oder fliegen. Sie verabscheut die aalglatten Manager. Silberberg hat allerdings genug mit sich selbst zu tun. Da sie ein hohe Position im Intershop innehatte, wurde sie als »IM« von der Staatssicherheit angeworben. Sie hat trotzdem das Standardformular der Treuhand unterschrieben und versichert, dass sie nicht für die »Stasi« gespitzelt hat. Jeden Morgen, wenn sie ins Büro kommt, fürchtet sie aufs Neue, dass ihre westdeutschen Chefs sie nun doch durchschaut haben und sie gefeuert wird.
17. Januar 1991, Bagdad
Das Ultimatum der Vereinten Nationen ist seit zwei Tagen abgelaufen, doch der irakische Machthaber hat seine Truppen noch immer nicht aus dem besetzten Kuwait abgezogen. In den Morgenstunden beginnt die »Operation Wüstensturm«. Mehr als zwanzig Staaten haben sich zusammengeschlossen, um die irakische Armee aus Kuwait zu verdrängen. Die erste Angriffswelle führt vor allem die US-Luftwaffe aus. Ihre ersten Ziele sind die Leitzentren der irakischen Luftwaffe und deren Flugzeuge. Der deutsche Privatsender RTL blendet vor Ablauf des Ultimatums einen Countdown neben seinem Senderlogo ein. Einen Tag nach den ersten Bombardements feuert die irakische Armee Scud-Raketen auf Israel ab. Am selben Tag wird Helmut Kohl erneut zum Bundeskanzler gewählt. Er ist jetzt seit über acht Jahren im Amt.
23. Januar 1991, Köln
Im »Excelsior Hotel Ernst«, einem Fünf-Sterne-Traditionshaus direkt am Kölner Dom, trifft sich der Präsidialausschuss des Treuhand-Verwaltungsrates. Otto Gellert, der Freund von Detlev Karsten Rohwedder, ist dabei, ebenso Jens Odewald, der neue Chef des Verwaltungsrats und das »Ohr des Kanzlers«. Inzwischen sind auch die Ministerpräsidenten und Gewerkschaftsmitglieder in dem Gremium vertreten.
Das Bundesfinanzministerium schickt ebenfalls Vertreter in den Verwaltungsrat, darunter Horst Köhler. 14 Seit der Wende 1982 ist Köhler Staatssekretär in Bonn und hat seitdem verschiedene Abteilungen im Bonner Bundesfinanzministerium geleitet. Momentan führt er die Abteilung VI – Geld und Kredit. Die Treuhand und die Schulden, die sie macht und für die das Bundesfinanzministerium bürgt, betreffen Köhlers Arbeit also direkt.
Die Treuhandführung stellt ihre Pläne vor, man ist sich einig, dass schon bald Firmen geschlossen werden müssen. Köhler fasst seine Position in einem Satz zusammen: Es müsse »auch mal gestorben werden«. 15
24. Januar 1991, Ost-Berlin
In der Treuhandzentrale hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass nicht alle Betriebe gehalten werden können. Schon im November 1990 wird daher eine Abteilung gegründet, die solche maroden Betriebe »abwickeln« soll. Geld wird also inzwischen nicht mehr nur ausgezahlt, um die Betriebe über Wasser zu halten, sondern auch, um sie geordnet zu schließen. Dafür muss die Treuhand unter anderem Abfindungen für die Arbeiter zahlen.
Die neue Abteilung wird in Ermangelung eines besseren Namens schlicht »Abwicklung« genannt. Niemand hat in der Treuhand Zeit, sich einen weniger aggressiven Namen auszudenken. Pietät glaubt man sich unter dem ständigen Entscheidungsdruck nicht leisten zu können. »Abwicklung« muss auch nicht das Aus für alle Arbeitsplätze bedeuten, denn es sollen diejenigen Teile aus zahlungsunfähigen Firmen herausgetrennt und Stück für Stück verkauft werden, die noch einzeln lebensfähig scheinen.
Chef der Abteilung wird Ludwig Tränkner. Eigentlich wollte der Münchner von der Treuhand die Parteizeitungen auf dem Land übernehmen und sie in Anzeigenblätter umwandeln. Sein Plan war, die Blätter in den Markt zu pressen, sie dann nach zwei Jahren mit der Treuhand zu verkaufen und den Gewinn mit ihr zu teilen. Diesen Plan stellt er Klaus-Peter Wild im Herbst 1990 vor, der aber, genauso wenig wie sonst jemand in der Treuhand, überhaupt einen Überblick hat, wie viele Zeitungen die Anstalt besitzt. Doch Tränkner hinterlässt Eindruck. Am nächsten Tag, morgens um 6 Uhr, wird er im Hotel angerufen, er soll noch einmal zum Alexanderplatz kommen.
Detlev Karsten Rohwedder findet Gefallen an dem lauten Tränkner, der über 100 Kilo wiegt, einen kurzen Bart
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