Der deutsche Goldrausch
Treuhandpräsidenten zu. Dass die Treuhand zudem »als Watschenmann« aufgebaut worden ist, hat er längst erkannt. In einem Fernsehinterview sagt er: »Wir sind natürlich im Fadenkreuz … von allen, die frustriert sind, weil es nicht weitergeht: von früheren Eigentümern, die nicht richtig und schnell in den Besitz ihres früheren Vermögens kommen; Investoren sind sauer, weil sie die Grundstücke nicht kriegen. Und dann kommt natürlich noch eins dazu: Viele Leute haben in den letzten Monaten gemeint, die Treuhandanstalt sei so eine Art Selbstbedienungsladen, wo man hingeht und wo man billig ein Schnäppchen machen kann.« 1
Rohwedder hat sich am Jahresende zudem wieder einmal mit der Bundesregierung gestritten. Dabei ging es vor allem um die offene Vermögensfrage. Noch immer hat die Regierung nicht klar geklärt, was mit Eigentum passieren soll, auf dem noch Altansprüche lasten. Die meisten Mitglieder der Bundesregierung sind jedoch trotz des drohenden Golfkrieges und der Krise in der ehemaligen DDR über die Jahreswende in den Winterurlaub gefahren. Nun handeln die Vertreter der Regierungsparteien verbissen die Details ihres Koalitionsvertrages aus, die aktuellen Probleme bleiben ausgelöst. In einem Interview macht sich Rohwedder Luft: »Das wirklich ernste Problem, an dem wir zu knacken haben, sind die ungeklärten Eigentumsverhältnisse in der ehemaligen DDR. Alles, was uns jetzt gehört und was wir privatisieren sollen, hat irgendwann einmal jemand anderem gehört … Freihändig und ohne Rücksichtnahme auf die früheren Rechtsverhältnisse können wir also überhaupt nicht privatisieren.« 2
Im Juni 1990 hatte sich die Bundesregierung mit der Regierung de Maizière darauf geeinigt, dass nur Eigentum, das zwischen 1945 und 1949 enteignet worden ist, prinzipiell unangetastet bleibt. Für Firmen, die etwa 1972 verstaatlicht worden sind, gilt dagegen der Grundsatz, dass die Alteigentümer
"ihr Eigentum zurückbekommen. Nur wenn sie einer Entschädigung zustimmen, dürfen die Ostdeutschen, die etwa die Firma oder die Wohnung inzwischen besitzen oder betreuen, das Eigentum übernehmen. Mit anderen Worten: Rohwedder und die anderen Treuhänder wissen gar nicht, was und wie viel der Treuhand in Ostdeutschland eigentlich gehört. Also wissen sie auch nicht, was sie verkaufen dürfen.
Der Treuhandpräsident weist außerdem Anfang des Jahres in einem Interview darauf hin, dass die Ostdeutschen zu wenig Kapital haben, um Eigentum zu erwerben. Damit seien sie materiell unterlegen.
DIE WELT: Sie sprechen von materieller Inferiorität. Gibt es im Osten auch eine geistige Inferiorität? Sind die »Hirne«, die Denkwerkzeuge, beschädigt? Gibt es geistige Deformationen?
ROHWEDDER: … Wir haben es mit einem Prozess zu tun, der noch lange andauern wird. Leider habe ich nicht den Eindruck, daß den Westdeutschen die Heranführung der Ostdeutschen in der ehemaligen DDR an unsere Denkwelt ein brennendes Anliegen ist.
DIE WELT: Weil unsere Marktwirtschaft durch rationale Privatunternehmer und Privatkapitalisten vorangetrieben wird, wäre es da nicht sinnvoll, den ganzen Ramsch drüben so schnell wie möglich und koste es, was es wolle, zu verscherbeln, zu verschenken, ja sogar noch Geld hinterherzuwerfen?
ROHWEDDER: Das Tempo, das Sie damit meinen, hat sich die Treuhandanstalt auf die Fahnen geschrieben. Deshalb steht dieser Privatisierungs-, dieser Entstaatlichungsauftrag, ich sage die Kompression des staatlichen Bereichs auf einen unvermeidlichen Kern, an erster Stelle im Treuhandgesetz. Also uneingeschränktes Ja dazu … 3
In der konservativen Presse mag er sich als unerschütterlicher Marktwirtschaftler geben, tatsächlich machen Rohwedder die Proteste gegen seine Privatisierungspolitik aber zunehmend zu schaffen. Es verletzt ihn, dass er die Menschen in Ostdeutschland nicht erreicht, dass er es nicht schafft, sie »mitzunehmen«, sagt er Vertrauten. Bei Hoesch war ihm das meist gelungen, egal wie hart die Einschnitte waren, die er durchsetzen musste. Er ist davon überzeugt, dass er nur seine patriotische Pflicht erfüllt, und versteht die harte Kritik an seiner Person daher nicht. Doch viele Journalisten und zu viele Menschen in Ostdeutschland nehmen ihm das nicht ab. Die einen sehen in ihm den »Schlächter«, die anderen einen Geschäftsmann, der sich profilieren will.
Im Bundesfinanzministerium in Bonn ist Ende 1990, kurz vor Weihnachten, ein Leiter für die Abteilung VIII gefunden worden. Diese
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