Der Diamant (German Edition)
junge, reiche und schöne Frau eingetauscht hatte.
Während die Gräfin von Soulanges den Weg zurücklegte von der Chaussée d'Antin bis zum Faubourg Saint-Germain, wo sie wohnte, mußte ihre Seele die lebhaftesten Ängste durchmachen. Ehe sie das Hotel Gondreville verlassen hatte, war sie durch alle Säle geeilt, ohne ihre Tante oder ihren Gatten zu finden, die ohne sie fortgegangen waren. Schreckliche Ahnungen quälten ihr argloses Herz. Als Zeugin der Leiden, die ihr Mann seit dem Tage durchmachte, an dem Frau von Vaudremont ihn vor ihren Triumphwagen gespannt hatte, hoffte sie voll Vertrauen, daß eine baldige Reue ihr den Galten zurückbringen würde. Nur mit größtem Widerwillen hatte sie in den Plan ihrer Tante, der Frau von Lansac, eingewilligt, und jetzt fürchtete sie, ein Unrecht begangen zu haben. Dieser Abend hatte ihre reine Seele tief betrübt. Von der leidenden und düsteren Miene des Grafen von Soulanges erschreckt, wurde sie es noch mehr durch die Schönheit ihrer Nebenbuhlerin; und die Verderbtheit der Welt hatte ihr das Herz zugeschnürt. Als sie über den Pont Royal fuhr, warf sie die entweihte Haarlocke, die unter dem Diamanten gelegen hatte und die ihr einst als Pfand reiner Liebe gegeben worden war, aus dem Wagen. Sie weinte, als sie an all die Leiden dachte, die sie seit so langer Zeit hatte erdulden müssen; sie zitterte bei dem Gedanken, daß jede Frau, die den ehelichen Frieden erhalten will, gezwungen ist, tief in ihrem Herzen, und ohne zu klagen(?) Ängste auszustehen, ebenso grausam wie die ihren.
»Ach,« sagte sie zu sich, »wie machen es nur die Frauen, die nicht lieben? Wo nehmen sie ihre Nachsicht her? Ich kann nicht glauben, daß – wie die Tante sagt – die Vernunft genügt, um sie in solcher Ergebenheit in ihr Schicksal zu unterstützen.«
Sie seufzte noch, als ihr Kammerjäger den eleganten Wagenschlag herunterließ, von dem sie in die Vorhalle ihres Hauses trat. Sie eilte die Treppe hinauf, und als sie in ihr Schlafgemach kam, zitterte sie vor Schreck, da sie ihren Gatten am Kamin sitzen sah.
»Seit wann, meine Liebe, besuchen Sie Bälle ohne mich, und ohne es mir zu sagen?« fragte er mit seltsamer Stimme. »Sie müssen wissen, daß eine Frau ohne ihren Gatten immer deplaciert ist. Sie haben sich in Ihrer dunklen Ecke überaus kompromittiert.«
»Ach, mein lieber Léon,« sagte sie mit zärtlicher Stimme, »ich konnte der Freude nicht widerstehen, dich zu sehen, ohne daß du mich sahst. Meine Tante hat mich auf diesen Ball geführt, und ich bin sehr glücklich dort gewesen.«
Dieser Ton nahm dem Gesichtsausdruck des Grafen seine gekünstelte Strenge; hatte er sich doch eben erst, während er auf die Rückkehr seiner Frau wartete, die bittersten Vorwürfe gemacht: denn sie hatte auf dem Ball sicher von seiner Untreue erfahren, die er hoffte, ihr verbergen zu können; und nun wollte er versuchen, wie es Liebende zu tun pflegen, die sich einer Schuld bewußt sind, dem nur allzuberechtigten Zorn der Gräfin dadurch zu entgehen, daß er als erster sie mit Vorwürfen überhäufte. – Schweigend betrachtete er seine Gattin, die in ihrem kostbaren Staat noch schöner erschien als sonst. Die Gräfin, glücklich ihren Gatten lächeln zu sehen und ihn zu dieser Stunde in einem Zimmer zu treffen, in das er seit einiger Zeit weniger oft gekommen war, sah ihn so zärtlich an, daß sie errötete und die Augen niederschlug. Diese Milde berauschte Soulanges um so mehr, als sie auf die Qualen folgte, die er während des Balles hatte erdulden müssen. Er ergriff die Hand seiner Frau und küßte sie voll Dankbarkeit: ist in der Liebe nicht oft Dankbarkeit?
»Hortense, was hast du da am Finger, das meinen Lippen so weh getan hat?« fragte er lachend.
»Das ist mein Diamant, den du verloren zu haben meintest und den ich wiedergefunden habe!«
Der General Montcornet heiratete übrigens Frau von Vaudremont nicht, trotz des guten Einvernehmens, in dem beide eine Zeitlang lebten; denn sie wurde eines der Opfer jener schrecklichen Feuersbrunst auf dem berühmten Ball, den die österreichische Gesandtschaft zu Ehren der Vermählung des Kaisers Napoleon mit der Tochter des Kaisers Franz II. gab.
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