Der dicke Löwe kommt zuletzt
seiner Seite. Sie vertrieb die Geier und Schakale, die sich auf den Abhängen blicken ließen. Sie ernährte und wärmte ihn.
Sehr langsam kamen seine Kräfte wieder. Zunächst konnte er nur den Kopf ein wenig anheben, später gelang es ihm, sich auf den Vorderbeinen aufzurichten, nur kurz zwar, gleich legte er sich wieder nieder, weil Sonne, Meer und Strand sich um ihn drehten.
Jedoch nach einigen Tagen konnte er das erste Mal aufstehen, nach einer knappen Woche die ersten zögernden Schritte machen. Das Fieber ging zurück.
Aber — Löwe hatte das Gedächtnis verloren. Nur an seine früheste Kindheit konnte er sich erinnern. Zwischen damals und dem Jetzt klaffte ein dunkles Loch. Und seinen Namen wußte er noch — nun, der war ja auch nicht schwer zu behalten. Schon das erste Mal redete ihn die Löwin an:
»Wo kommst du her, du Löwe?«
»Ich weiß es nicht — «, brummte er. »Ich versuche, mich daran zu erinnern, es ist mir so, als hinge sehr viel davon ab, es zu wissen — aber ich sehe nur schwarze Nacht.«
»Es wird dir wieder einfallen«, tröstete sie ihn.
Aber schon begann sie sich davor zu fürchten. Befand er sich nicht auf einer weiten Reise? Und würde er nicht gleich wieder aufbrechen, sobald er sich an seine Aufgabe erinnerte?
Und das wollte sie nicht. Sie wollte mit ihm zusammenbleiben.
Sie trachtete danach, ihn vom Strand wegzubringen. Hier waren sie allen Blicken ausgesetzt, von Tieren und Jägern. Hier brannte die Sonne unbarmherzig. Und sie vermutete, daß der Anblick des Meeres ihn an seine Vergangenheit erinnern könnte.
Seine Vergangenheit aber sollte für ihn tot sein.
»Komm«, sagte sie, als er wieder laufen konnte, »komm, nicht weit von hier, auf einer kleinen Anhöhe, geschützt in niedrigem Gehölz, kenne ich einen Platz, wo wir uns zurückziehen und zusammen leben können... komm...«
Löwe blickte grübelnd aufs Wasser, als ob er von ihm eine Antwort auf bohrende Fragen erwartete — aber es blieb stumm. Das Rauschen der Wellen verriet ihm nichts.
So raffte er sich auf und trottete hinter ihr her. Sie erklommen den niedrigen Abhang, der sandig war und voll Geröll, sie liefen über die Grassteppe, die sich dahinter ausdehnte. Und dieses freie Traben tat Löwe gut, er fühlte sich froh und beschwingt, die Bedrückung wich, sein Gang wurde lockerer, weicher, wiegender — und wenn er seine Gefährtin vor sich sah, erfüllte ein Glücksgefühl seine Brust.
Das Gras duftete. Ach — er war in Afrika! In Afrika, wo er schon so lange hingewollt hatte. Hingewollt... woher?
Sanft wellten sich Hügelkuppen. Er sah weit entfernt grasende Tierherden.
Nun kamen sie an einen Hügel. Er war überwuchert von dichtem Buschwerk. Die Löwin schlüpfte unter die Aste — im Dämmerlicht folgten sie einem Pfad, bis sie am Fuße eines mächtigen Baumes anlangten. Er stand hier einsam und majestätisch. Unter ihm war im Gebüsch ein freier Platz, ein Nest, ein geschütztes Zuhause.
»Das ist es«, sagte die Löwin. »Willst du hier mit mir leben?«
»Es gefällt mir!« Er streckte sich behaglich aus. »Sag mir: Wie heißt du?«
»Wie heißt du?« fragte sie zurück.
»Wie du mich genannt hast — Löwe!«
»Dann heiße ich Löwine — seit heute!«
Flitterwochen
So führte Löwe ein herrliches Dasein — ein Leben zu zweit. Löwine verwöhnte ihn nach allen Regeln weiblicher Kunst. Aber auch sie hatte in ihm einen liebevollen Partner gefunden.
Immer wieder spielten sie die gleichen Spiele. Scheinbar ungerührt, in majestätischer Ruhe, lag er im Gras, das stolze Haupt aufgereckt, und schaute aus den Augenschlitzen über sie hinweg. Sie rekelte sich vor ihm, kollerte sich auf den Rücken, ließ die Pfoten locker hängen, knurrte und maunzte. Bewegte er sich dann noch immer nicht — und das Spiel bestand eben darin, daß er teilnahmslos erschien — , dann schlich sie sich näher, schmeichelte, stupste ihn mit der weichen Nase, schnurrte, begann ihn zu lecken, erst am Hals, dann über die Flanken.
Bis sie ihn zärtlich in die Ohren biß und seine Mähne mit ihren Tatzen zerzauste.
Dann endlich sprang er auf, und sie balgten miteinander wie ganz junge spielende Tierkinder. So lange, bis sie erschöpft war und ihn bat: »Hör auf, hör auf!«
»Du wolltest es ja nicht anders«, brummte er dann verliebt.
Natürlich — je mehr er seine alten Kräfte wiedergewann, desto weniger hielt es ihn daheim. Oft schweiften sie zusammen über die Steppe — und es war immer ein Vergnügen
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