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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Einband war aus Menschenhaut gefertigt – eine Methode, derer man sich vor Jahrhunderten recht häufig bedient hatte. Viele Bücher über berüchtigte Menschen waren in die eigene Haut der jeweiligen Person gebunden worden. Unter der Bezeichnung »Anthropodermische Einbände« fanden sich solche Bücher in vielen Bibliotheken, unter anderem in denen einiger Eliteuniversitäten der USA. Oft hörte man Geschichten darüber, dass die gespenstischen Gesichtszüge der einstigen Besitzer der Haut auf dem gegerbten, vergilbten Einband erschienen, weil ihre Seelen darunter gefangen waren.
    Das Werk, das Venue gerade in der Hand hielt, hatte im Jahre 1511 ein exkommunizierter Priester namens Jacarlo Jabad geschrieben; es handelte sich um eine wissenschaftliche Abhandlung über das Böse, gefallene Engel und die Unterdrückung aller Dinge, die unvereinbar waren mit den Lehren der römischen Kirche. Es hieß, dass Jabad in dem Werk über seine persönlichen Begegnungen mit der Unterwelt berichtete, und zwar auf die gleiche Art und Weise, wie gläubige Menschen von Wundern erzählten. Dass man das Buch in die Haut des Priesters gebunden hatte, war auf seinen eigenen Wunsch hin geschehen. Und damit war es, wie Venue fand, genau das richtige Buch, um mit dem Lesen zu beginnen.
    Er schaute sich in der Kammer um, die mit Reichtümern gefüllt war, deren Wert weit über das hinausging, was er früher besessen hatte, doch der materielle Wert dieser Dinge war nichts verglichen mit dem historischen Wert und dem Wert der Informationen, die sie enthielten.
    Venue setzte sich in den warmen Schein des Fackellichts. Behutsam öffnete er den Einband aus vergilbter Menschenhaut und begann zu lesen.
***
    Bendi und Thut standen mit dem Rücken zueinander im Türrahmen. Der eine schaute in die Kammer hinein, der andere in Richtung des höhlenartigen Gangs. Beide hielten ihre Waffen im Anschlag und bewachten Venue, wie man es ihnen aufgetragen hatte.
    Sie hatten die Kammer mit dem Gold nach Michael durchsucht, doch es war äußerst schwierig gewesen, sich angesichts der gewaltigen Reichtümer zu konzentrieren. Sie hatten keine Spur von Michael oder Silviu gefunden und gingen deshalb davon aus, dass sie irgendwo draußen in der im Dunkel liegenden Höhle waren. Deshalb warteten sie jetzt auf Gianni und Karl.
    Keiner wusste Genaueres über Bendi und Thut, nicht einmal, woher sie kamen, welche Staatsangehörigkeit sie hatten und wie sie mit Nachnamen hießen. Es war nur bekannt, dass sie Brüder waren. Doch nicht einmal diese eine Information entsprach der Wahrheit. Sie kamen aus Spanien und waren seit ihrem fünften Lebensjahr Freunde. Als sie dreizehn oder vierzehn waren, hatten sie sich aus einer Laune heraus als Brüder ausgegeben. Thut verschrieb sich früh der Kunst des Diebstahls, und Bendi schloss sich ihm an. So zogen sie gemeinsam durch Europa. Sie hatten bisher nur selten Aufträge von Iblis angenommen, aber das Angebot, fünfzigtausend Dollar zu verdienen, indem sie für ein paar Tage nach Indien reisten, war zu verlockend gewesen. So brauchten sie die nächsten sechs Monate nicht mehr zu arbeiten und konnten sich endlich einen Urlaub gönnen; durch kleine Taschendiebstähle und Raubüberfälle würden sie die Urlaubskasse aufbessern. Es würde eine nette Abwechslung sein, in der warmen Sonne im Sand zu liegen, nachdem sie durch die bittere Kälte gestapft und an diesem finsteren Ort geendet waren.
    Aber zu diesem Urlaub sollte es niemals kommen.
    Die Kugeln trafen sie ohne Vorwarnung. Die beiden »Brüder« wurden in die Kammer hineingestoßen, und das Blut, das aus ihren durchsiebten Köpfen schoss, ergoss sich über den Schatz.
    Sie bekamen nicht mehr mit, dass Michael sich ihnen näherte.
***
    Michael betrat die Kammer und drückte den Kolben der MP7 fest gegen seine Wange. Der Lauf der Waffe rauchte noch. Im nächsten Moment senkte er das Gewehr, denn Venue war in ein Buch vertieft und saß unter dem Lichtschein einer einsam brennenden Fackel. Auf die gewaltsamen Todesfälle, die sich vor wenigen Augenblicken unmittelbar hinter seinem Rücken ereignet hatten, hatte er gar nicht reagiert. Ebenso wenig reagierte er jetzt darauf, dass Michael die Kammer betrat.
    Michael zog seine Taschenlampe hervor und leuchtete damit durch den Raum, vergewisserte sich, dass sonst niemand zugegen war, knipste die Lampe wieder aus und klemmte sie an seinen Gürtel.
    »Nirgendwo ließen sich so viel Gold und so viele Juwelen besser verstecken als bei

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