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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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den Dämonen dieser Welt«, sagte Venue, ohne sich zu rühren und ohne Michael anzuschauen. »Und die Bücher und Schriftrollen, die Geheimnisse der Menschheit, die Geheimnisse von Göttern und Dämonen … Nirgendwo ließen sie sich besser verstecken als in der Hölle.«
    Michael blickte auf die Stapel von Schriftrollen, Büchern und Pergamenten, die so lange Zeit überdauert hatten.
    »Das alles wegen ein paar Büchern?«
    Venue klappte Jabads Abhandlung behutsam zu, drehte sich aber nicht zu Michael um. »Hier geht es um sehr viel mehr, als du mit deinem schwachsinnigen Verstand je erfassen könntest.«
    »Wissen Sie, wenn einem jemand eine Waffe an den Kopf hält – besonders, wenn es sich dabei um jemanden handelt, der allen Grund hat, einen umzubringen –, sollte man bei der Wahl seiner Worte etwas vorsichtiger sein.«
    Venue drehte sich um und erhob sich zu voller Größe. »Weißt du, was Furcht ist?«
    »Ja, sogar ziemlich gut. Aber ich glaube nicht, dass Sie sich schon mal richtig gefürchtet haben.«
    »Glaubst du an Gott, Michael?«, fragte Venue.
    »Mehr, als Ihnen bewusst ist.« Michael nickte voller Selbstvertrauen, denn er hatte die Oberhand, weil er seine Waffe auf den Mann richtete.
    »Die Menschen verehren ihn in den verschiedensten Erscheinungsformen: Jesus, Jahwe, Allah, Buddha, Vishnu. Die Menschen verehren ihn und stellen ihn auf ein Podest, auf dem sie ihn anbeten können. Und doch wollen wir uns hier auf Erden von sämtlichen Herrschern befreien. Wir streben nach der Freiheit, unseren eigenen Weg gehen zu können. Die Tage der absoluten Monarchien und der Diktatoren sind nur noch eine Erinnerung. Wir lehnen uns auf gegen die Obrigkeit und dagegen, dass man uns sagen will, was wir zu tun haben. Überall, nur nicht in der Kirche. ›Folge dem vorschriftsmäßigen Weg, den Menschen für dich niedergeschrieben haben, und du wirst belohnt werden mit der warmen Umarmung des Herrn, in dessen Gegenwart du eine friedliche Ewigkeit damit verbringen wirst, ihn weiter anbeten zu dürfen.‹
    Da draußen gibt es aber noch andere Dinge, Michael. Der Mensch verschließt seinen Geist vor diesen Dingen. Er hat Angst vor dem, was er nicht versteht. Es gibt Alternativen zu Gott. Diese Bücher wurden versteckt, um diese Wahrheit zu vertuschen. Um zu vertuschen, was in der Dunkelheit verborgen liegt. Um zu vertuschen, was in unser aller Unterbewusstsein schlummert. Wer sind diese Mönche, die diesen Ort bewachen, dass sie das Recht haben zu entscheiden, was die Menschen wissen dürfen und was nicht?«
    »Und Sie sind würdig, diese Entscheidung im Namen der Welt zu treffen?«, spottete Michael.
    »Ich werde der Lehrmeister sein. Ich werde eine Quelle des Wissens sein für die Neugierigen, die erfahren wollen, was sich jenseits der Finsternis befindet, hinter den versteckten Türen. Es ist höchste Zeit.«
    »Ein zwar unredlicher, aber wohltätiger Akt? Ihnen muss mal jemand kräftig ins Hirn geschissen haben.«
    »Weißt du, was für ein Ort das hier ist? Weißt du, was sich über uns befindet? Das ist Shambhala, Michael. Hier läuft alles zusammen.«
    »Das ist ein Name, den Menschen sich ausgedacht haben. Ein Ideal, ein buddhistischer Mythos.«
    »Den du selbst jetzt noch bestreitest, nachdem du ihn mit eigenen Augen gesehen hast und auf seinem Grund und Boden stehst?«
    »Das reicht jetzt.« Michael schwenkte das Gewehr in Venues Richtung und bedeutete ihm, die Kammer zu verlassen. »Sie sind der letzte Mensch auf Erden, der versuchen sollte, mich von irgendetwas zu überzeugen.«
    »Du kannst es nennen, wie du willst.«
    Venue legte Jabads Buch nieder und ging quer durch den Raum, vorüber an den Bergen aus Gold und hinaus in den Gang. Michael lief nur wenige Schritte hinter ihm und hielt die Waffe dabei genau auf den Hinterkopf des Mannes.
    »Du hast die Kostbarkeiten hier gesehen und …«
    »Die Sie stehlen wollten.«
    »Das streite ich nicht ab, aber was ist all der Reichtum wert? Was sind alles Wissen und alle Macht wert, wenn man tot ist?« Venue hielt einen Moment inne. »Du begreifst es immer noch nicht, stimmt’s?«
    Michael behielt Venue im Visier. Sie verließen die Kammer und gingen auf die Treppe zu, den einzigen Weg, der aus dieser unterirdischen Welt hinausführte.
    »Du hast die Menschen nicht gesehen, die hier leben und den Ort hier besuchen. Sie altern nicht. Und von all ihrem Wissen und all den Jahren philosophischen Austauschs hat die Welt nicht die leiseste Ahnung. Von diesem Berg aus

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