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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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beigetragen, in dem der Sultan des Osmanischen Reiches zu Hause gewesen war. Das Gesamtbild besaß keine einheitlichen Züge, war eher etwas Organisches – eine Vielzahl ineinander verschachtelter und miteinander verbundener Gebäude, die sich über mehr als siebenhunderttausend Quadratmeter erstreckten.
    Michael und KC hielten sich im Schatten der Zypressen, die mit ihrem tiefen Grün den Gehweg säumten, der sich durch den Garten des Paradieses schlängelte, wie man einst tatsächlich geglaubt hatte. Sie gingen auf den Turm der Gerechtigkeit zu, das höchste Gebäude der Palastanlage. In der Spitze des Marmorbaus befand sich ein Raum, der ganz aus Fenstern bestand, aus denen der Sultan hinunterblicken konnte auf die Weite seines gewaltigen Besitzes. Die blaugraue Patina des oxidierten Bleis, die das Dach der Turmspitze färbte, war in ganz Istanbul zu sehen und kündete von der Macht des Sultans.
    Direkt unter dem Turm wurde ein breiter, mit kunstvollen Kacheln geschmückter Bogengang von Säulen aus grünem Marmor und rosafarbenem Basalt getragen. Die prachtvolle Bauweise des Diwans fand sich in der ganzen Stadt wieder und war eine typische türkische Stilrichtung geworden.
    Michael war überwältigt von der minuziösen Kleinarbeit und Komplexität, mit der selbst die winzigste Kachel gefertigt war; die Handwerkskunst und der Stil waren mit nichts zu vergleichen, was er bisher auf seinen Reisen um die Welt gesehen hatte.
    Er riss sich vom Anblick der Bauwerke des zweiten Hofes los und wandte sich an KC. »Was ist denn jetzt? Erzählst du mir, wohin wir gehen? Wo ist diese sogenannte Karte?«
    »Du meinst, ich könnte das nicht schaffen«, sagte KC mit selbstsicherem Lächeln. »Stimmt’s?«
    »Du musst dein Arbeitsfeld besser kennen als dein eigenes Spiegelbild am Morgen. Schau dich um, KC«, forderte Michael sie auf und wies dabei fast unmerklich auf die fünf Wachmänner in ihrem Blickfeld, die auf dem Gelände patrouillierten. »Wenn man nicht alles weiß über das, was man stehlen will, und über den Ort, an dem es sich befindet … Nein, ich glaube nicht, dass du es schaffen kannst.«
    KC schaute auf die Armbanduhr und ging schnellen Schrittes davon, als hätte sie Sorge, einen Zug zu verpassen. Michael stand einen Augenblick da, verwirrt und erheitert zugleich über ihre plötzliche Zielstrebigkeit. Dann folgte er ihr.
    Sie überquerten den Haupthof und gingen auf ein niedriges Gebäude zu, das sich über die gesamte Nordseite des zweiten Hofes erstreckte. Sie gelangten unter ein goldenes Vordach und schritten durch das sogenannte Tor der Glückseligkeit, das aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammte und den Eingang zum dritten Hof bildete, in dem sich die privaten Wohnbereiche des Palasts befanden. Zu Zeiten des Osmanischen Reiches durfte dieses Tor niemand ohne die ausdrückliche Genehmigung des Sultans passieren.
    Der Sultan benutzte dieses Tor ausschließlich für besondere Zeremonien, wenn er auf seinem goldenen Thron saß, während seine Untertanen und Bediensteten ihm huldigten.
    KC führte Michael über den mit Kopfsteinpflaster ausgelegten Weg des dritten Hofes durch weitere Gartenanlagen zu einem langen, monumentalen Säulengang. Sie ging an einer mit Rundbögen verzierten Kolonnade entlang zu einer aufwendig geschnitzten Tür aus dunklem Holz und betrat die Schatzkammer. Michael folgte ihr auf dem Fuße.
    Als KC und Michael den ersten Saal betraten, fiel ihr Blick auf einen gewaltigen Glaskasten, der die mittelalterliche Rüstung von Sultan Mustafa III. enthielt, die aus einem eisernen Kettenhemd bestand, das mit Gold und Diamanten verziert war, sowie Schwert und Schild. Sie liefen an einem zweiten Kasten vorüber, der Ausgaben des Korans enthielt, die der persönlichen Benutzung durch die Sultane vorbehalten gewesen waren und deren kunstvolle Einbände Perlen und Juwelen schmückten. Da stand der Ebenholz-Thron von Sultan Murad IV., den Intarsienarbeiten aus Elfenbein und Perlmutt zierten. Es waren Töpfe und Vasen ausgestellt, die ganz aus Jade gefertigt waren, goldene ägyptische Kandelaber, eine Wasserpfeife aus Gold aus dem achtzehnten Jahrhundert und der mit Brillanten besetzte Gehstock von Abdülhamid II., ein Geschenk von Kaiser Wilhelm. In der Mitte des Saales befand sich ein Schaukasten, der reich verzierte militärische Gegenstände enthielt, für die sich eine Gruppe französischer Touristen interessierte.
    KC und Michael gingen weiter in den zweiten Saal, der unter der Bezeichnung

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