Der Dieb der Finsternis
Smaragdsaal bekannt war. Hier wurden eine Kollektion von Kopfschmuck sowie Anhänger ausgestellt, die mit Smaragden, Diamanten und anderen Edelsteinen besetzt waren.
Sie kamen an Schaukästen vorbei, die Gebetsperlen aus Smaragd enthielten und Pfeilköcher, die mit Gold überzogen waren, und bewunderten einen Anhänger, der Sultan Abdülhamid I. gehört hatte. Er war in Gold gefasst und bestand aus drei großen Smaragden, die ein Dreieck bildeten, sowie aus einer Quaste, die aus achtundvierzig Perlensträngen gefertigt war.
KC blieb vor einem Kasten stehen, der den kostbaren und berühmten Topkapi-Dolch enthielt. Der Dolch war Mitte des achtzehnten Jahrhunderts als Geschenk an den persischen Herrscher Nadir Schah vorgesehen, der jedoch ermordet wurde, bevor der osmanische Gesandte die Grenze zum Iran überquert hatte. Deshalb hatte der Sultan den Dolch behalten und in seiner Sammlung aufbewahrt. Den Griff zierten drei große Smaragde, und in die Dolchspitze war eine Uhr eingebaut, ebenfalls in Smaragde gefasst. Die Dolchscheide war mit Brillanten besetzt, der Griff war auf der Rückseite mit Perlmutt und Emaille verziert.
KC schaute auf ihre Armbanduhr und ging weiter. Michael hielt sich zwei Schritte hinter ihr, als sie sich durch die Menschenmengen in den dritten Saal schoben, in dem Emaillestücke ausgestellt waren, Orden und Auszeichnungen, die den Sultanen von ausländischen Monarchen verliehen worden waren. Hier stand auch der goldene Thron, den die Sultane für ihre Krönungszeremonien und anlässlich religiöser Feiertage benutzt hatten. Eine große Menschenmenge hatte sich vor einem der berühmtesten Steine der Welt versammelt, dem Löfflerdiamanten, einem tropfenförmigen Edelstein von sechsundachtzig Karat, den ein armer Fischer in einem Abfallhaufen gefunden und einem Händler für eine läppische Summe verkauft hatte.
Wegen der Renovierungsarbeiten an der Bibliothek des Topkapi-Palasts wurden derzeit einige ihrer bedeutenderen Werke im dritten Salon der Schatzkammer ausgestellt, unter anderem Bücher über islamische Gesetze, Theologie und Weltgeschehen, Koranausgaben von historischer Bedeutung sowie Bücher und Karten, die den Aufstieg und Zerfall des Osmanischen Reiches dokumentierten. Die in türkischer, arabischer und persischer Sprache verfassten Werke der Topkapi-Bibliothek galten als wichtige Sammlung nicht nur der muslimischen Welt, sondern weltweit.
Michael hielt sich immer noch dicht hinter KC, die plötzlich stehen blieb und den Blick auf das Ziel ihres Ausflugs richtete. Sie standen vor einer großen Glasvitrine, in der etwas ausgestellt war, das von einem sanften gelben Licht erhellt wurde. Der Gegenstand bestand aus gegerbter Gazellenhaut und zeigte eine Zeichnung, die mit sattbrauner, tiefroter und pechschwarzer Tinte angefertigt worden war. Die neunzig mal sechzig Zentimeter große, sehr detaillierte Karte zeigte die Westküste Afrikas bis hinauf zum Mittelmeer, die Iberische Halbinsel und den Atlantik einschließlich der Karibik und Südamerika bis hinunter zur Nordküste der Antarktis. Zahlreiche Inselgruppen waren zu sehen, angefangen von den Azoren über die Kanaren bis hin zur mythischen Insel Antilia. Die Gebirgsketten der peruanischen Anden waren ebenso dargestellt wie die verschiedenen gewaltigen Flüsse des Kontinents einschließlich des Amazonas, des Orinoco, des Rio Magdalena und des Rio So Francisco, die alle in den Atlantik mündeten.
Die Karte war eine Portolankarte mit einem von der Mitte ausstrahlenden Liniennetz, das Schiffe von Hafen zu Hafen führte. Statt Breiten- und Längengrade anzugeben, hatte man an Schlüsselpunkten Windrosen eingezeichnet mit Azimuten, die den Weg in ferne Länder wiesen.
Auf dem afrikanischen Kontinent fanden sich minuziöse Darstellungen von Elefanten und Straußen, Königen und Sultanen, während auf dem südamerikanischen Kontinent Affen, Pumas, Rinder und wilde Männer tanzten.
Überall auf der Karte waren umfangreiche Vermerke, die sich auf alles Mögliche bezogen, angefangen bei Christoph Kolumbus und seiner Entdeckung der Neuen Welt über südamerikanische Eingeborene bis hin zu Meeresungeheuern und Monstern auf dem Festland. Die Karte war durch mehrere Risse beschädigt, ansonsten aber gut erhalten. Die Touristen jedoch schienen sich nicht für diesen Schaukasten zu interessieren; sie bestaunten die Juwelen- und Dolchsammlung nebenan.
»Ist dir bekannt, dass ein Türke diese Karte gezeichnet hat? Piri Reis? Im Jahre
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