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Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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kerzengerade auf ihrem Stuhl und zwinkerte Sir Henry ebenfalls mit ihren blauen Augen zu.
    »Eine Beschwerde?«, murmelte sie.
    »Eine sehr ernste Beschwerde. Wir sind hier heute Abend sechs Personen; drei Vertreter jeden Geschlechts, und ich protestiere im Namen der unterdrückten männlichen Wesen. Wir haben drei Geschichten gehört, die alle von den Männern erzählt wurden! Ich erkläre hiermit feierlich, dass die Damen nicht ihren angemessenen Teil zur Unterhaltung beigetragen haben.«
    »Oho!«, erwiderte Mrs Bantry empört. »Das möchte ich bestreiten. Wir haben mit größtem Verständnis zugehört. Außerdem haben wir ein geziemendes Wesen an den Tag gelegt, das sich davor scheut, die Blicke aller auf sich zu ziehen!«
    »Eine ausgezeichnete Entschuldigung«, bemerkte Sir Henry, »aber wir lassen sie nicht gelten. Ich bin überzeugt, dass eine der Damen ein besonders geschätztes Geheimnis in petto hat. Wie ist es, Miss Marple, mit der ›Merkwürdigen Begebenheit mit der Putzfrau‹ oder der ›Mysteriösen Angelegenheit bei der Mütterversammlung‹? Sie und St. Mary Mead dürfen mich nicht enttäuschen.«
    Kopfschüttelnd erwiderte Miss Marple:
    »Ich habe nicht viel erlebt, Sir Henry. Natürlich haben wir unsere kleinen rätselhaften Angelegenheiten, aber die würden Sie nicht interessieren.«
    »Und wie steht’s mit Ihnen, Miss Helier?«, fragte Colonel Bantry. »Sie müssen doch sicher interessante Erlebnisse gehabt haben.«
    »Ja, wirklich«, stimmte Dr. Lloyd zu.
    »Ich?«, fragte Jane. »Sie meinen, dass ich Ihnen jetzt etwas von mir erzähle?«
    »Oder irgendetwas, das einem Ihrer Freunde passiert ist«, ergänzte Sir Henry.
    »Oh!«, sagte Jane vage. »Ich glaube, ich habe gar nichts Besonderes erlebt – jedenfalls nicht so etwas. Blumen natürlich und seltsame Botschaften – aber das sind einfach Männergeschichten, nicht wahr? Ich glaube nicht – « Sie brach gedankenverloren ab.
    »Ich sehe schon, wir müssen auf die kleinen Angelegenheiten zurückkommen«, meinte Sir Henry. »Also beginnen Sie, Miss Marple.«
    »Sie belieben wohl zu scherzen, Sir Henry. Aber wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir tatsächlich eine Begebenheit ein – Begebenheit ist allerdings nicht der richtige Ausdruck, es handelt sich um etwas viel Ernsteres: um eine Tragödie. Und ich war gewissermaßen darin verwickelt. Aber was ich getan habe, hat mich nie gereut – niemals. Doch ist es nicht in St. Mary Mead geschehen.«
    »Da bin ich aber enttäuscht«, meinte Sir Henry. »Aber ich werde versuchen, mich damit abzufinden. Ich wusste ja, dass wir uns auf Sie verlassen können.«
    Er setzte sich voller Erwartung in seinem Sessel zurecht.
    »Ich hoffe, dass ich es Ihnen richtig schildern kann«, sagte sie ein wenig vorsichtig. »Ich neige etwas zur Weitschweifigkeit. Ohne es zu wissen, verliert man oft den Faden, und es ist so schwer, sich an die richtige Reihenfolge zu erinnern. Sie müssen Geduld mit mir haben, wenn ich mich als eine schlechte Erzählerin entpuppe. Außerdem ist es schon so lange her.
    Wie gesagt, die Geschichte spielte sich nicht in St. Mary Mead, sondern in einem Thermalbadeort ab.«
    »Unfreundliche Plätze«, schob Colonel Bantry ein, »absolut scheußlich! Man muss früh aus den Federn und dieses widerliche Wasser trinken. Alte Frauen sitzen massenweise herum, mit ihren tausend kleinen Gebrechen und ihrem endlosen Geschwätz. Mein Gott, wenn ich bloß daran denke – «
    »Das ist leider wahr«, stimmte Miss Marple ihm zu. »Ich selbst – «
    »Meine liebe Miss Marple«, rief der Colonel entsetzt. »Ich habe natürlich nicht für eine Sekunde – «
    Rosa angehaucht brachte sie ihn mit einer kleinen Geste zum Schweigen.
    »Aber es ist wahr Colonel. Nur möchte ich noch etwas hinzufügen. Was war es doch gleich? Ach so, ja. Es wird, wie Sie sagen, viel gelästert. Und die Menschen urteilen sehr hart darüber – besonders junge Menschen. Mein Neffe, der Bücher schreibt – und, wie ich glaube, sehr gescheite –, hat äußerst sarkastische Bemerkungen gemacht über Leute, die ohne jeglichen Beweis den guten Ruf anderer vernichten.
    Hierzu möchte ich bemerken, dass die jungen Leute oft nicht nachdenken oder die Tatsachen prüfen. An dem Getratsche ist nämlich meistens sehr viel Wahres dran! Und wenn die jungen Leute der Sache einmal auf den Grund gingen, würden sie die Entdeckung machen, dass es in neun von zehn Fällen stimmt. Und darum regen sich die Leute auch so darüber

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