Der Dienstagabend-Club
auf.«
»Die göttliche Eingebung, wie?«, sagte Sir Henry ironisch.
»O nein, durchaus nicht. Es handelt sich in Wirklichkeit um praktische Erfahrungen. Wenn Sie einem Ägyptologen einen dieser merkwürdigen kleinen Käfer zeigen, kann er Ihnen, wie ich gehört habe, aus dem Gefühl heraus sagen, welcher Periode er angehört oder ob es eine Imitation aus Birmingham ist. Aber er kann nicht immer bestimmte Gründe dafür angeben. Er weiß es eben. Er hat sich ein Leben lang mit solchen Dingen beschäftigt.
Ebenso haben die von meinem Neffen als ›nutzlos‹ bezeichneten Frauen sehr viel freie Zeit, und sie interessieren sich in der Hauptsache für Menschen. Und auf diese Weise werden sie sozusagen Sachverständige auf diesem Gebiet. Nun, diese jungen Leute heutzutage – sie reden sehr frei über Dinge, die in meiner Jugend nicht erwähnt wurden; auf der anderen Seite aber sind sie sehr naiv. Sie glauben an alles und jeden. Und wenn man sie noch so sanft zu warnen versucht, wird einem gesagt, man sei viktorianisch – und damit ist die Sache erledigt.
Nun muss ich bekennen, dass ich auch etwas empfindlich bin, und gedankenlose Bemerkungen haben mich schon oft aufs Tiefste verletzt. Ich weiß, Männer interessieren sich nicht für häusliche Angelegenheiten, aber ich muss doch kurz mein Hausmädchen Ethel erwähnen – ein sehr hübsches Mädchen und in jeder Weise gefällig. Nun, sobald ich sie sah, wusste ich, dass sie der gleiche Typ wie Annie Webb war. Wenn sich die Gelegenheit ergab, würde sie mein und dein nicht unterscheiden können. Daher ließ ich sie am Ende des Monats gehen und schrieb ihr ins Zeugnis, dass sie ehrlich und bescheiden sei. Aber unter vier Augen warnte ich die alte Mrs Edwards davor, sie zu nehmen. Mein Neffe Raymond war entsetzt und erklärte mir, er habe noch nie so etwas Schändliches – ja, Schändliches – gehört. Na, sie ging dann zu Lady Ashton, die zu warnen ich mich nicht verpflichtet fühlte. Und was geschah? Alle Spitzen wurden von ihrer Unterwäsche abgeschnitten und zwei Diamantbroschen gestohlen – und das Mädchen schlich sich mitten in der Nacht davon, und seitdem hat man nichts mehr von ihr gehört!«
Miss Marple hielt inne, holte tief Atem und fuhr dann fort.
»Sie werden sicher denken, dies alles hat nichts zu tun mit dem, was sich in dem Kurort ereignete – aber indirekt ist es doch so. Denn es ist eine Erklärung dafür, warum ich nicht den geringsten Zweifel daran in meinem Herzen hatte – gleich als ich die beiden Sanders’ zusammen sah –, dass er beabsichtigte, sie umzubringen.«
»Was sagen Sie da?«, fragte Sir Henry erstaunt.
»Ich sage, Sir Henry, dass ich durchaus nicht im Zweifel war. Mr Sanders war ein stattlicher, gut aussehender Mann von sehr herzlichem Wesen und bei allen recht beliebt. Und niemand hätte netter zu seiner Frau sein können als er. Aber ich wusste Bescheid! Er hatte die Absicht, sie aus dem Weg zu räumen.«
»Aber meine liebe Miss Marple – «
»Ja, ich weiß. Mein Neffe Raymond West würde mir dasselbe sagen, nämlich, dass ich nicht den geringsten Beweis hätte. Aber ich muss dabei an Walter Hones denken, den Wirt des ›Grünen Mannes‹. Als er eines Abends mit seiner Frau nachhause ging, fiel sie in den Fluss – und er ließ sich das Versicherungsgeld auszahlen! Ich könnte noch ein paar Leute anführen, die bis heute ungestraft herumlaufen – sogar einen aus unseren Kreisen. Verbrachte die Sommerferien in der Schweiz, um mit seiner Frau Kletterpartien zu machen. Ich bat sie vorher, nicht mitzufahren; das arme Geschöpf wurde nicht einmal zornig mit mir, wie man es hätte erwarten können – sie lachte nur. Es erschien ihr komisch, dass eine merkwürdige Alte wie ich so etwas über ihren Harry sagen sollte. Na, und dann gab es eben einen Unfall – und Harry ist jetzt mit einer anderen Frau verheiratet. Aber was konnte ich tun? Ich wusste es zwar, hatte aber keine Beweise.«
»Oh! Miss Marple«, rief Mrs Bantry. »Das ist doch wohl nicht möglich!«
»Meine Liebe, solche Dinge passieren alle Tage. Und Männer sind dieser Versuchung besonders ausgesetzt, da sie so viel stärker sind. Es ist ja so leicht, wenn es wie ein Unfall aussieht. Wie gesagt, bei den Sanders’ hatte ich denselben Eindruck. Wir fuhren mit der Straßenbahn. Da unten alles voll war, mussten wir nach oben klettern. Dann standen wir alle drei auf, um auszusteigen, und Mr Sanders verlor das Gleichgewicht und fiel heftig gegen seine Frau, die
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