Der digitale Daemon
vollzog sich in unterschiedlichen Entwicklungsschritten und auf unterschiedlichen technischen Ebenen, etwa Eisenbahn und Individualverkehr, und erschloss dabei immer dichtere Räume.
So wie wir heute über eine multimodulare Verkehrsinfrastruktur verfügen, die eine fast flächendeckende individuelle Anbindung garantiert, so wird auch die universelle Netzanbindung sich multimodular in der Kombination der unterschiedlichen technischen Lösungen realisieren. Das entscheidende Kriterium ist nicht der technische Standard, sondern der diskriminierungsfreie und behinderungsfreie, jederzeitige Zugang zu einem in der Schnelligkeit dem aktuellen technischen Niveau entsprechenden Netz.
Die Sicherstellung eines funktionalen Internetzugangs allein ist allerdings nicht ausreichend. Die Menschen müssen auch dazu befähigt sein, die Partizipationsmöglichkeiten im Netz selbstbestimmt zu nutzen. Das ist nicht nur für die Bildungs- und Entwicklungschancen junger, sondern auch für die Partizipationsmöglichkeiten älterer Menschen zunehmend entscheidend. Die dazu notwendigen Nutzerfähigkeiten zu fördern, sind die Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen in hohem Maße gefordert. Dies gilt insbesondere für Schulen, die dazu beitragen können und müssen, dass unabhängig vom Familieneinkommen und Status jedes Kind den Zugang zum Netz diskriminierungsfrei erhält, um darin und damit zu lernen.
Das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit ist im digitalen Zeitalter vom Zugang zu den im Netz bereitgestellten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten abhängig. Die Möglichkeiten der alltäglichen Lebensgestaltung werden künftig gerade auch für eine älter werdende Gesellschaft von den Fähigkeiten des Umgangs mit dem und der Teilhabe im Netz abhängen, vom E-Government über Einkaufsmöglichkeiten bis hin zur Gesundheitsfürsorge. Dazu bedarf es neben der Hardwarevoraussetzung notwendigerweise der Fähigkeiten, adäquat damit umzugehen. Für Menschen, die dies nicht mehr erlernen können oder in ihrer Bedienungsfähigkeit eingeschränkt sind, kann der Zugang über Paten und öffentliche Anlauf- und Servicestellen gewährleistet werden.
Mit anderen Worten: Mit dem Ausbau des Netzes muss der Ausbau einer Bildungs- und Serviceinfrastruktur einhergehen, die den Menschen gleichberechtigt die Nutzung der bereitgestellten Zugänge auch ermöglicht und sie dazu befähigt. Dies ist neben der Sicherstellung des physischen Zugangs die zweite große Herausforderung des digitalen Zeitalters!
Darin liegt der wesentliche Unterschied zwischen der digitalen Welt und der analogen Welt der Eisenbahn.
Alle und alles ans Netz – Florian Rötzer
Mit der seit Beginn der 1990er Jahre explosiv erfolgenden Nutzung des Internets, die durch die Einführung des benutzerfreundlichen Web mit durch Hyperlinks verbundenen, multimedialen HTML-Seiten erfolgte, was das Surfen mit Browser ermöglichte, setzten Mitte der 1990er Jahre die avantgardistischen Träumereien von der Herausbildung eines »globalen Gehirns« der gesamten Menschheit ein. Später folgte dann die eher profanen, auch mit den Lockungen eines globalen Marktplatzes und transnationalen Unternehmen verbundenen Vorstellungen, den neuen Segen der Vernetzung und den dadurch entstehenden freien Informationsfluss allen Menschen zugutekommen zu lassen. Die Menschen würden Sender und Empfänger, Produzenten und Konsumenten zugleich werden und an einem weltweiten Kommunikations- und Marktprozess teilhaben können. Räumliche Barrieren und Grenzen sollten fallen, und es sollte sich weltweit eine offene Gesellschaft und ein freier Verkehr und Markt durchsetzen. Während die einen gerne auf das von McLuhan geprägte Bild vom »globalen Dorf« zurückgriffen, sprachen andere von der Datenautobahn, die alle verbindet.
Niemand mehr sollte von der neuen Informations- und Wissensgesellschaft ausgeschlossen bleiben, die zugleich versprach, die herrschende Kluft zwischen den Off- und Onlinern zu schließen und den technischen, wissenschaftlichen und nicht zuletzt ökonomischen Vorsprung der führenden Wissensgesellschaften zur Standortsicherung auszubauen. Der in den 90er Jahren vorherrschende Wirtschaftsaufschwung, der mit dem Internet verbunden zu sein schien und einen »long boom« ( Wired ) versprach, löste in vielen Regierungen Panik aus, den Anschluss verlieren zu können. In der EU wurde so vor der Jahrtausendwende vom damaligen Kommissionspräsidenten Prodi eine Initiative gestartet,
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