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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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runterzuputzen, mein Dad– stolzierte wie ein Mafiaboss hin und her und behauptete, ich schuldete ihm Geld für dies und jenes, und dann zog er es mir von meinem– Zitat– Gehalt ab. Kassierte wegen irgendeines zusammenfantasierten Verstoßes meinen sogenannten Gehaltsscheck. Solche Sachen.
    Und Welty– es war nicht das erste Mal, dass ich ihn sah. Er war schon öfter im Büro gewesen, um den Transport für irgendwelche Haushaltsauflösungen zu arrangieren. Er behauptete immer, mit seinem Rücken müsse er härter arbeiten, um einen guten Eindruck zu hinterlassen, damit die Leute über seine Entstellung hinwegsähen und so weiter, aber ich mochte ihn von Anfang an. Die meisten Leute mochten ihn, sogar mein Vater, der sonst, sagen wir, die Menschen nicht besonders gut leiden konnte. Jedenfalls bekam Welty seinen Ausbruch mit, und am nächsten Tag rief er meinen Vater an und sagte, er könne meine Hilfe beim Einpacken der Möbel in dem Haus, dessen Einrichtung er gekauft hatte, gebrauchen. Ich war ein großer, starker Bengel und ein fleißiger Arbeiter, genau das Richtige. Na ja « , Hobie stand auf und streckte die Arme über den Kopf, » Welty war ein guter Kunde. Und mein Vater, aus welchen Gründen auch immer, sagte Ja.
    Das Haus, in dem ich ihm beim Einpacken half, war die alte Villa De Peyster. Und wie der Zufall es wollte, hatte ich die alte Mrs. De Peyster ganz gut gekannt. Schon als Kind war ich gern hinunterspaziert, um sie zu besuchen– eine lustige alte Frau mit einer leuchtend gelben Perücke, ein Quell der Informationen, überall Zeitungen. Sie wusste alles über die lokale Geschichte und konnte unglaublich unterhaltsam erzählen– egal, es war jedenfalls ein großes Haus, vollgestopft mit Tiffany-Glas und ein paar sehr guten Möbelstücken aus dem neunzehnten Jahrhundert, und ich konnte bei der Herkunftsbestimmung vieler Stücke behilflich sein, besser als Mrs. De Peysters Tochter, die nicht das geringste Interesse an dem Sessel hatte, in dem Präsident McKinley gesessen hatte, oder an anderen solchen Sachen.
    An dem Tag, als ich fertig war mit meiner Arbeit in diesem Haus– es war gegen sechs Uhr nachmittags, und ich war staubig von Kopf bis Fuß–, machte Welty eine Flasche Wein auf, und wir setzten uns um die Packkisten herum und tranken, weißt du, auf dem blanken Fußboden und umgeben vom Echo eines leeren Hauses. Ich war erschöpft. Er hatte mich direkt bezahlt, bar und ohne den Umweg über meinen Vater, und als ich ihm dankte und ihn fragte, ob es da vielleicht noch mehr Arbeit gebe, da sagte er: Hör zu, ich habe gerade in New York ein Geschäft eröffnet, und wenn du da einen Job haben willst, dann hast du ihn. Darauf stießen wir an, und ich ging nach Hause und packte meinen Koffer– mit Büchern hauptsächlich–, sagte der Haushälterin auf Wiedersehen und ließ mich am nächsten Tag von einem Laster nach New York mitnehmen. Ohne mich noch einmal umzuschauen. «
    Es wurde still. Wir sortierten immer noch die Furniere: klickende Fragmente, dünn wie Papier, wie die Spielmarken in einem uralten Spiel, vielleicht aus China, und die Geräusche hatten eine geisterhafte Leichtigkeit, die einem das Gefühl gab, in einer sehr viel größeren Stille verloren zu sein.
    » Hey. « Ich hatte ein Stück gefunden, und ich schnappte es mir und reichte es ihm triumphierend: Die Farbe passte genau, viel besser als bei allen anderen Stücken, die er auf seinem Stapel beiseitegelegt hatte.
    Er nahm es und betrachtete es unter der Lampe. » Ganz okay « , sagte er.
    » Was stimmt denn nicht daran? «
    » Tja, siehst du « , er hielt das Furnier an den Sockel der Uhr, » bei so einer Arbeit ist es die Maserung des Holzes, die wirklich passen muss. Das ist der Trick dabei. Variationen im Farbton kann man leichter zurechtmogeln. Das hier zum Beispiel « , er hielt ein anderes Stück hoch, das erkennbar mehrere Nuancen danebenlag,– » mit etwas Bienenwachs und der richtigen Farbe– vielleicht. Kaliumbichromat, ein Hauch von Van-Dyck-Braun… Manchmal, bei einer Maserung, die wirklich schwer zu kombinieren ist, besonders bei bestimmten Walnusshölzern, habe ich Ammoniak benutzt, um einStück von neuem Holz abzudunkeln. Aber nur, wenn mir nichts anderes übrig blieb. Es ist immer am besten, Holz zu benutzen, das genauso alt ist wie das Stück, das du reparierst, wenn du welches hast. «
    » Wie haben Sie das alles gelernt? « , fragte ich nach einer schüchternen Pause.
    Er lachte. » So, wie du es jetzt

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