Der Distelfink
hatte recht: Es war einfach nicht herauszubekommen, was Platt angestellt hatte, denn Mr. und Mrs. Barbour taten, als wäre absolut alles in Ordnung (obwohl man spürte, dass dem nicht so war), und Platt selbst sagte kein Wort, sondern hockte nur mürrisch mit den Haaren vorm Gesicht am Tisch.
» Glaub mir « , sagte Andy, » es ist besser, wenn du dabei bist. Dann reden sie und geben sich mehr Mühe, sich normal zu benehmen. «
» Was hat er denn deiner Meinung nach angestellt? «
» Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich will es auch nicht wissen. «
» Natürlich willst du. «
» Na gut « , gab Andy zu. » Aber ich habe wirklich nicht die blasseste Ahnung. «
» Glaubst du, er hat gemogelt? Geklaut? In der Kirche Kaugummi gekaut? «
Andy zuckte die Achseln. » Als er das letzte Mal Ärger hatte, war es, weil er jemandem mit dem Lacrosse-Schläger ins Gesicht geschlagen hatte. Aber das war anders als jetzt. « Und dann, aus heiterem Himmel: » Mutter liebt Platt am meisten. «
» Meinst du? « , sagte ich ausweichend, aber ich wusste natürlich, dass es stimmte.
» Daddy liebt Kitsey am meisten. Und Mutter liebt Platt. «
» Toddy liebt sie aber auch sehr « , sagte ich, bevor mir ganz klar war, wie sich das anhörte.
Andy verzog das Gesicht. » Ich würde ja annehmen, ich sei bei der Geburt vertauscht worden « , sagte er. » Wenn ich Mutter nicht so ähnlich sähe. «
XIV
Aus irgendeinem Grund kam mir während dieses angespannten Zwischenspiels (vielleicht, weil Platts mysteriöse Schwierigkeiten mich an meine eigenen erinnerten) der Gedanke, ich sollte Hobie vielleicht von dem Gemälde erzählen oder– zumindest– das Thema auf irgendeine indirekte Weise zur Sprache bringen, um zu sehen, wie er reagierte. Das Problem war, wie sollte ich davon anfangen? Das Bild war immer noch zu Hause, genau da, wo ich es zurückgelassen hatte, in der Tasche aus dem Museum. Als ich es im vorderen Zimmer ans Sofa gelehnt gesehen hatte, an dem schaurigen Nachmittag, als ich noch mal dort gewesen war, um ein paar Sachen zu holen, die ich für die Schule brauchte, war ich geradewegs daran vorbeigegangen, war ihm geflissentlich ausgewichen wie einem grabschenden Penner auf dem Gehweg, und die ganze Zeit hatte ich Mrs. Barbours kühlen, hellen Blick im Rücken gespürt, auf unserer Wohnung und auf den Sachen meiner Mutter, während sie mit verschränkten Armen in der Tür stand.
Es war kompliziert. Immer wenn ich daran dachte, drehte sich mir der Magen um, und mein erster Impuls war, den Deckel zuzuknallen und an etwas anderes zu denken. Unglücklicherweise hatte ich schon so lange damit gewartet, irgendjemandem etwas davon zu sagen, dass ich allmählich das Gefühl bekam, es wäre längst zu spät, überhaupt noch davon anzufangen. Und je mehr Zeit ich mit Hobie verbrachte– mit seinen verkrüppelten Hepplewhites und Chippendales, mit den alten Stücken, die er so gewissenhaft versorgte–, desto stärker wurde das Gefühl, es wäre falsch, weiter zu schweigen. Wenn nun jemand das Bild fände? Was würde dann mit mir passieren? Was weiß ich– der Vermieter konnte in der Wohnung gewesen sein; er hatte einen Schlüssel. Aber selbst wenn er hineinginge, müsste er es ja nicht unbedingt finden. Trotzdem war mir klar, dass ich das Schicksal in Versuchung führte, solange ich es dort ließ und die Entscheidung, was ich damit tun sollte, immer weiter aufschob.
Dabei hatte ich nichts dagegen, es zurückzugeben. Hätte ich es auf magische Weise, durch reines Wünschen, wieder loswerden können, hätte ich es sofort getan. Aber ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, ohne mich oder das Bild in Gefahr zu bringen. Seit dem Bombenanschlag im Museum hingen überall in der Stadt Bekanntmachungen, die besagten, dass Pakete, die aus irgendeinem Grund unbeaufsichtigt entdeckt wurden, vernichtet werden würden, und damit erledigten sich die meisten meiner brillanten Ideen in Bezug auf eine anonyme Rückgabe von selbst. Jeder verdächtige Koffer, jedes Paket, würde ohne Weiteres in die Luft gesprengt werden.
Von allen Erwachsenen, die ich kannte, kamen für mich nur zwei dafür in Frage, ins Vertrauen gezogen zu werden: Hobie und Mrs. Barbour. Hobie erschien mir entschieden verständnisvoller und weniger furchterregend. Es würde viel einfacher sein, ihm zu erklären, wie es überhaupt dazu gekommen war, dass ich das Bild aus dem Museum mitgenommen hatte. Dass es quasi ein Fehler gewesen war. Dass ich Weltys Anweisungen befolgt
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