Der Doge, sein Henker und Ich
graues Kostüm, das einen eleganten Schnitt zeigte. Die grüne Bluse unter der Jacke wirkte wie eine hügelige Grasfläche.
»Ja«, sagte sie. »Da wären wir.«
Ich nickte. »Wieder einmal.«
»Es ist lange her, nicht wahr?«
»Und ob.«
»Wie fühlst du dich denn jetzt?«
»Willst du eine ehrliche Antwort?«
»Natürlich.«
»Ich fühle mich schon ein wenig seltsam.«
Jane kam auf mich zu und legte beide Hände auf meine Schultern. »Es ist tatsächlich lange her, daß wir so zusammen waren. Ich will dir ehrlich sagen, daß ich mich darüber freue. Auf diesen Tag habe ich lange gewartet, trotz Glenda.«
»Sie weiß es nicht.«
»Sie wird es von mir auch nicht erfahren. Lady Sarah hält ebenfalls dicht, Suko ja auch, aber ich will dich zu nichts zwingen.« Jane ließ mich wieder los und öffnete ihren Koffer, um einige Sachen auszupacken und aufzuhängen.
Ich ging zum Fenster, schob die Gardine zurück und schaute auf den Kanal, der von zahlreichen Booten durchpflügt wurde. Wir wohnten in der Nähe vom Canale Grande und dem Markusplatz. Der Himmel über Venedig war bedeckt. Hin und wieder jedoch lugte die Märzsonne hervor, sie besaß schon viel Kraft. Den Menschen hatten wir angesehen, daß es endlich Frühling geworden war. Sie gaben sich anders, aufgelockerter, freier, sie waren den langen Winter einfach satt. Wir aber auch.
Jane war im Bad verschwunden. Ich hörte das Rausehen des Wassers, setzte mich an den Schreibtisch, zündete mir eine Zigarette an und dachte nach.
Durch den Rauch betrachtete ich die Stofftapete. Viel wußten wir nicht, quasi gar nichts. Es mußte uns einfach gelingen, eine Spur aufzunehmen, aber wir hatten keinen Hinweis.
Nur eben die Aussage des Zeugen, der jetzt nicht mehr lebte. Und die drei anderen Toten waren aus den Kanälen gefischt worden. Neapel sehen und sterben, heißt das Sprichwort. Hoffentlich galt das nicht auch für Venedig!
Ich drückte den Glimmstengel aus und dachte daran, daß uns tatsächlich nichts anderes übrigblieb, als Bootsfahrten zu unternehmen. Dabei spielte es keine Rolle, ob mit einer Gondel oder einem Motorboot, wobei ich zu letzterem tendierte.
Wenn wir uns ein Motorboot liehen, waren wir unabhängiger. Wir mußten die Kanäle kennenlernen, auch die Plätze und Brücken. Der unheimliche Doge und sein Henker konnten überall lauern und auf uns warten. Mir war allerdings nicht klar, weshalb Commissario Torri ein so großes Geheimnis um unseren Besuch machte. Vielleicht wollte er die Lorbeeren allein ernten. Jedenfalls schien er einen großen Einfluß zu besitzen, daß er es schaffte, die Kollegen auszuschalten.
»Haben wir noch Zeit, John?« Ich hörte Janes Frage aus dem Bad.
»So schnell wird es nicht dunkel.«
»Es dauert auch nicht lange. Ich will mir nur den Staub der Reise abspülen.«
»Ja, mach das.«
Ich lächelte still vor mich hin. Früher hätten wir uns den »Reisestaub« gemeinsam abgespült, heute aber war die Situation eine andere. Ich empfand eine gewisse Scheu vor Jane und beschloß, darauf zu warten, bis sie fertig war.
Der Sessel war bequem. Ich streckte meine Beine aus und spürte, wie ich mich entspannte. An diesem Tag hatte ich mich auch nicht unbedingt wohl gefühlt. Vielleicht lag es am Temperaturunterschied, daß mich eine gewisse Mattheit überkam.
Deshalb wunderte es mich nicht, wie mir plötzlich die Augen zufielen und ich einschlief.
Bis ich das Räuspern hinter mir hörte, aufschreckte und im ersten Moment nicht wußte, wo ich mich befand. Ich hatte in dieser kurzen Zeit ungemein tief und fest geschlafen. Dieser Schlaf war auch gleichzeitig erquickend gewesen, nur brauchte ich einige Sekunden, um mich wieder zurechtzufinden.
Den Kopf schüttelnd, stemmte ich mich langsam in die Höhe und drehte mich um.
Jane hatte das Bad verlassen. Sie stand neben dem Sofa und schüttelte ihre Haare aus, wobei einige Strähnen an ihren Enden noch feucht glänzten.
»Geschlafen, John?« fragte sie mit leicht spöttisch klingender Stimme.
»Ja.« Ich rieb mir die Augen.
»Das wäre dir früher nicht passiert.«
»Was willst du machen? Man wird eben älter.«
Sie lachte und drehte sich. Dabei schwang ihr dünner türkisfarbener Bademantel auf. Mein Blick fiel zuerst auf ihre Beine. Sekunden später wußte ich, daß Jane unter dem Bademantel nackt war. Da gingen meine Gedanken mit mir durch…
Sie wühlte im Koffer und fand, was sie gesucht hatte. Hauchdünne Dessous. Einen durchsichtigen BH, dazu passend ein Nichts
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