Der Doge, sein Henker und Ich
von einem Slip, der an den Seiten mit kleinen Rüschen besetzt war. Sie lächelte mich an und verschwand mit den Sachen im Bad.
Ich blieb sitzen. Früher wäre ich ihr nachgestiegen. Heute aber hinderte mich die unsichtbare Barriere daran, die sich zwischen uns beiden aufgebaut hatte.
Nein, es war anders geworden…
Jane kehrte sehr schnell zurück. Allerdings nicht fertig angezogen, nur im BH und Slip.
Verdammt, ich hatte sie in einem so aufreizenden Aufzug lange nicht mehr gesehen. Mir wurde die Kehle trocken, ich mußte schlucken, und Jane blieb vor mir stehen. Der BH rahmte mehr ein, als daß er bedeckte.
»Ist was?« fragte sie lächelnd, sehr wohl wissend, wie es in mir aussah.
»Wenn ich nein sage, würde ich lügen.«
»Dann sag das andere.«
»Du bist noch… ich meine, du hast dich zum Positiven hin verändert. Bist fraulicher geworden.«
Sie strich mit beiden Händen über ihre Hüften. »Dicker meinst du wohl.«
»Nein, nein. Mir gefällt das besser.«
Wieder kam sie auf mich zu. »Besser?« hauchte sie, und ich spürte ihre Lippen über meine linke Wange wandern. »Dann beweise mir doch, daß du mich besser findest. Komm, noch haben wir Zeit, John.«
Ja, wir hatten möglicherweise noch Zeit. Und da sagt man immer, die Frauen seien das schwache Geschlecht. Ich wollte daran einfach nicht glauben. Nein, die Männer waren das schwache Geschlecht, in diesem Falle ich.
Ich kam mir vor wie im Traum. Jane duftete nach einer aufregenden Bade-Lotion. Ich merkte kaum, daß sie mich in Richtung Bett führte. Erst als ich auf dem Rücken lag und ihre flinken Finger über meine Kleidung glitten, wurde mir richtig bewußt, auf was ich mich da eingelassen hatte. Mein Widerstand schmolz dahin. Als ich Janes Lippen auf meinem Mund spürte, war alles vergessen. Es kam über uns wie ein gewaltiger Orkan, der uns beide durch Höhen und Tiefen eines leidenschaftlichen Strudels riß…
***
Auch wenn das Wasser trübe war und etwas roch, störte sich Renate Gehrmann daran nicht. Venedig war ihr Traum gewesen, und diesen Traum hatte sich die dreiunddreißigjährige Chefsekretärin endlich erfüllt. Nie hatte sie Zeit gefunden, die Stadt zu besuchen, in diesen Märztagen aber war sie für eine Woche aus Frankfurt geflohen, um in der Stadt der Kanäle und Gondeln sieben unvergeßliche Tage zu erleben. Wenn es ihr gefiel, würde sie im Spätsommer wiederkehren und die Stadt noch einmal im warmen Sonnenschein genießen.
Renate hatte sich für eine große Fahrt entschieden und ein erkleckliches Sümmchen hingeblättert. Der Gondoliere war schon etwas älter, seine Stimme zählte auch nicht mehr zu den besten, so daß Renate ihn davon überzeugen konnte, nicht mehr zu singen.
An der großen Anlegestelle am Bahnhof war sie eingestiegen, denn dort führte auch der weltberühmte Canale Grande her. Wie eine breite Schlange wand er sich durch den Wirrwarr der Bauten und historischen Gebäude. Von ihm zweigten zahlreiche andere Kanäle ab, die einen regelrechten Wasserstraßen-Wirrwarr bildeten, der für die Fremden kaum durchschaubar war.
Renate Gehrmann hatte sich entschieden, zunächst einmal auf dem Canale Grande zu bleiben. Auf der kleinen Sitzbank hatte sie sich entspannt zurückgelehnt, schaute dem Treiben auf dem Kanal und an den Ufern zu und war gespannt darauf, die Rialto-Brücke zu sehen. Aber auch die anderen Bauwerke waren nicht von Pappe. Herrliche Kirchen sah sie, entdeckte prunkvolle Häuser und Paläste, aber auch alte und graue Fassaden.
Der Gondoliere fuhr langsam. Renate hatte ihn darum gebeten, weil sie alles in sich aufsaugen wollte. Oft genug drückte sie auf den Auslöser der Kamera.
An ihr vorbei glitten Ausflugsboote und Gondeln. Passagiere winkten der allein reisenden blonden Frau des öfteren zu, und sie winkte jedesmal zurück.
Das hier war eine andere Welt, nicht zu vergleichen mit dem Büroalltag in Frankfurt. Hier fühlte sie sich entspannt, jenseits des Stresses, auch wenn auf den Kanälen keine Ruhe eingekehrt war und am Ende der Wasserstraße, wo der Markusplatz lag, die Touristen sich stauen würden.
Aus diesem Grunde nahm sie sich vor, den Kanal nicht bis zum Ende durchzufahren.
Oft genug schaukelten die Gondeln unter den anrollenden Wellen, die von schneller fahrenden Schiffen verursacht wurden. Dann schimpfte der Gondoliere jedesmal laut und deutlich, drohte sogar mit der Faust und wurde mehr als einmal ausgelacht.
Renate sprach gut italienisch. Sie drehte sich nach einer dieser
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