Der Doge, sein Henker und Ich
ehrlich gesagt, Angst. Träte dies ein, wüßte ich nicht, ob die Kräfte zum Positiven oder Negativen hin tendieren.«
Unser Gespräch wurde unterbrochen, weil der Verleiher mit den Taucherausrüstungen zurückkehrte. Sie glänzten schwarz, während die Preßluftflaschen blau gestrichen waren.
»Da sind die Sachen!«
»Und wir können uns darauf verlassen?« fragte ich.
»Ja, die Flaschen sind gefüllt, und die Anzüge zeigen keine Risse oder Schwachstellen.«
»Okay.« Ich nickte. »Wieviel schulden wir Ihnen?«
Er nannte eine kleine Summe, die ich noch zahlte. Dann bekamen wir den Schlüssel für das Boot. »Vollgetankt ist auch«, erklärte er, während er die Leine lostäute. »Sie können Venedig unsicher machen. Aber halten Sie sich an die Regeln, sonst bekommen Sie Ärger.«
»Schon verstanden.« Ich betätigte den Anlasser. Der Motor kam willig, er stotterte nicht einmal. Ich winkte dem Verleiher zu und lenkte das Boot aus dem Stichkanal.
Wir fuhren den Rio di Cannonica in Richtung Süden, weil dieser Kanal in den Canale Grande mündete. Später mußten wir am Piazza San Marco vorbei und am Dogenpalast.
Zu ihm hatte ich jetzt schon eine besondere Beziehung, denn unter dem Dogenpalast hatten damals die Bleikammern gelegen. Die Toten hatten sich in Blei aufgelöst. Deshalb ging ich davon aus, daß der Doge und sein Flenker Turrio überlebt hatten, aus welchen Gründen auch immer. Möglicherweise durch einen dämonischen Pakt, ein Versprechen der Hölle gegenüber, wie wir es oft erlebt hatten.
Jane Collins stand neben mir und studierte die Karte, während ich mich mit dem Boot allmählich vertraut machte. Das Wasser lag nicht ruhig, es herrschte einfach zuviel Betrieb.
Zwar nicht wie im Sommer, aber mir reichte es. Die Temperaturen waren im Gegensatz zum Mittag gefallen, die Sonne hatte sich auch versteckt, der Himmel wirkte ebenfalls wie Blei und schuf jene melancholische Stimmung, die Menschen in Venedig trübsinnig werden ließ. Da schien der Verfall der Häuser beschleunigt zu werden, wenn sich die Schatten schon am Tag bildeten und über dem Wasser der Kanäle lagen. Oft genug wurden wir auch von Touristenbooten überholt. Sie waren nicht voll besetzt. Wir passierten Gondeln, in denen die Gäste dick vermummt saßen, und für die Prachtbauten, die hin und wieder an den Ufern erschienen, hatte ich keinen Blick, da ich mich auf das Lenken des Bootes konzentrieren mußte.
Kirchen, Herrenhäuser, kleine Paläste. Manche wurden angestrahlt und lagen in einem goldenen Glanz. Auf den Touristenbooten bekamen die Passagiere Geschichtsunterricht per Lautsprecher, und Jane verglich die Karte mit den vorhandenen Realitäten.
Unser Boot schaukelte über quer anlaufende Wellen. Manchmal gischtete Spritzwasser gegen die Scheibe, das dann in lange Tropfbahnen nach unten rann.
»Wie lange noch?« fragte ich sie.
»Es ist nicht mehr weit bis zur Einmündung. Vielleicht zehn Minuten.«
Sie lachte leise. »Wir werden uns vorkommen wie auf einer Hauptverkehrsstraße.«
Da konnte sie recht haben, denn der Canale Grande war nicht umsonst die berühmteste Wasserstraße Venedigs.
An der breiten Mole Riva, über die an der Einmündung auch eine Brücke führte, erreichten wir praktisch das Ende des Kanals. Schräg gegenüber lag die Insel San Giorgio Maggiore, von der ein hoher Kirchturm grüßte.
Auf dem Canale Grande war tatsächlich etwas los, besonders in unserer Nähe am Piazza San Marco, wo die Menschen über den schönsten Platz Europas schlenderten, wie ihn einmal Napoleon genannt hatte, und die Tauben fütterten.
Der Platz ist umgeben von prächtigen Palästen und Arkaden, unter denen sich berühmte Kaffeehäuser befinden, die auch heute noch den Treffpunkt zahlreicher Persönlichkeiten bilden. Er besitzt ungefähr die Form eines Rechtecks und ist mit Istrianischem Marmor gepflastert. Einen fast atemberaubenden Anblick bildet die Basilika San Marco, diese außergewöhnliche Kirche, ein Meisterwerk romanisch-byzantinischer Architektur. Die Türme besitzen Ähnlichkeit mit denen großer Moscheen.
Durch zahlreiche Portale ist die Kirche zu betreten. Berühmt geworden war das Hauptportal mit dem Jüngsten Gericht über dem Bogen. Wer sich die Mühe machte und genau hinschaute, erkannte die typisch byzantinische Bauweise. Die Basilika besitzt die Form eines griechischen Kreuzes mit drei Schiffen.
Wir fuhren langsam an ihr vorbei und sahen auch den hoch aufragenden Glockenturm nahe der Kirche.
Jane
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