Der Doge, sein Henker und Ich
einem schmalbrüstigen Haus. Zwei aufreizend gekleidete Mädchen standen in der Nähe des Eingangs und rauchten lange Zigaretten. Rechts von uns gluckerte das schmutzige Kanalwasser. Es klatschte gegen die Umrandung.
Das Geräusch hörte sich an, als würden Hände dagegen schlagen. Die Boote sahen wir auch. Sie lagen vertäut in einem schmalen Stichkanal, den man sogar überspringen konnte. Keine sehr großen Boote, für zwei Personen reichten sie jedoch aus.
Jane betrat den Laden zuerst. Der Mann hinter seinem Schreibtisch schaute hoch und stand auf. Er war ziemlich fett und trug zur Cordjacke, die er vorn nicht zubekam noch eine Baskenmütze auf dem Kopf. Zwischen seinen Lippen qualmte ein Zigarrenstummel.
»Signorina?« fragte er.
Ich antwortete. »Wir möchten bei Ihnen ein Boot ausleihen.«
Er nickte. »Dazu bin ich da.« Da er gemerkt hatte, daß wir Engländer waren, redete er in unserer Heimatsprache weiter. »Flaben Sie die Boote schon gesehen?«
»Ja.«
»Gut. Ich werde Ihnen die Einzelheiten nennen.« Er holte einen großen Schlüsselbund aus der Tasche, ging vor, öffnete die Tür und schloß sie hinter uns ab.
»Wir befinden uns hier auf der Rückseite. Keine sehr gute Lage, Sie verstehen.«
»Sicher.«
Er deutete zum Himmel. »Zum Glück ist das Wetter besser geworden. Vor einer Woche war es saukalt, da hat es noch geschneit. Ja, dieser verdammte März hat es in sich.« Wir standen bei den Booten. »Soll ich Ihnen die einzelnen Typen genau erklären?«
»Wir brauchen kein seetüchtiges, sondern eines für die Kanäle«, sagte ich. »Es soll schnell sein und auch sehr wendig.«
Der Verleiher grinste. »Schnell ist gut. Sie dürfen hier nicht rasen!«
»Dann eben wendig.«
»Ich würde das vorschlagen.« Er wies auf ein schnittig aussehendes Kunststoffboot. Zwei Leute hatten darin Platz, eine Scheibe zum Schutz gegen das Spritzwasser war ebenfalls vorhanden.
Jane nickte.
»Sind Sie einverstanden?« fragte der Verleiher.
»Ja.«
Der Mann nannte eine Summe. Ich handelte nicht und zahlte. »Wenn Sie es länger als einen Tag behalten, bekommen Sie Rabatt.« Er hob die Hand und spreizte die Finger. »Fünf Prozent.«
»Ich glaube kaum, daß wir es in Anspruch nehmen werden.«
»Das weiß ich nicht. Sie haben sich eine ungünstige Zeit ausgesucht. Es wird bald Abend und damit dunkel. Mehr als drei Stunden können Sie nicht mehr im Hellen fahren.«
Er bekam von mir keine Antwort, denn Jane Collins wechselte das Thema. »Verleihen Sie nur Boote oder auch Taucherausrüstungen?«
»Brauchen Sie eine?«
»Zwei.«
Ich schaute die ehemalige Hexe überrascht an, aber der Gedanke war gut. Möglicherweise mußten wir ins Wasser, und da waren zwei Taucherausrüstungen nicht schlecht.
»Im Prinzip verleihe ich keine«, sagte der Italiener nach einer Weile des Nachdenkens. »Aber wenn Sie mich so fragen…« Er hob die Schultern.
»Ich habe noch zwei Ausrüstungen in einem Abstellraum. Es sind jedoch nicht die modernsten, aber in Ordnung. Die Luft in den kleineren Flaschen reicht jeweils für eine Stunde. Soll ich sie holen?«
Jane nickte. »Ich bitte darum.«
Der Mann verschwand. »Was hältst du von der Idee, John?«
»Nicht übel.«
»Finde ich auch. Vielleicht sind die Mörder aus dem Wasser gekommen. Sollten sie wieder erscheinen und verschwinden, können wir ihnen auf den Fersen bleiben.«
Ich drückte sie für einen Moment an mich. »Du hast wirklich nichts verlernt, meine Liebe.«
»Nein, das habe ich auch nicht.«
»Und die Vergangenheit?«
»Ich habe sie verdrängt, John. Dabei war mir Lady Sarah eine sehr große Hilfe. Sie hat mich ungemein stark beeinflußt. Ohne sie hätte ich mich nicht so zurechtgefunden. Dieser Job hier ist einmalig. Ich fühle mich wie früher.« Jane schaute über die Boote hinweg. »Ein wenig traurig stimmt es mich wegen Yakup. Er hat sich Hoffnungen gemacht. Nun ja, wir sind gute Freunde geblieben, das hat er akzeptiert.«
»Sind deine Hexenkräfte eigentlich vollends verschwunden?«
Sie drehte den Kopf und blickte mir aus großen Augen ins Gesicht. »Diese Frage, John, habe ich mir schon des öfteren gestellt, doch keine Antwort gefunden. Ich denke immer wieder darüber nach, glaube aber nicht daran, daß die Hexenkräfte ganz ausgeschaltet worden sind. Vielleicht schlummern sie noch latent in mir.«
»Und wie geht es weiter?«
»Was meinst du damit?«
»Könnten sie einmal wieder geweckt werden.«
Jane senkte ihre Stimme. »Davor habe ich,
Weitere Kostenlose Bücher