Der Doktor und das liebe Vieh
zu, Sie machen dem Mädchen den Hof. Gehen wir mal einen Schritt weiter. Das Mädchen ist ungewöhnlich anziehend – sie verursacht eine regelrechte Verkehrsstauung, wenn sie am Markttag über den Platz geht. Es ist allgemein bekannt, daß sie intelligent ist, immer freundlich und eine exzellente Köchin. Würden Sie mir auch darin zustimmen?«
»Natürlich«, sagte ich gereizt. »Aber warum führen Sie sich auf wie ein Richter?«
»Ich versuche nur, meinen Standpunkt klarzumachen, James, und der wäre, daß Sie eine ideale Frau an der Angel haben und nichts unternehmen. Um es weniger vornehm zu sagen, ich wünschte, Sie würden endlich mal zupacken.«
»Das ist nicht so einfach«, sagte ich. »Ich kann ihr keinerlei Sicherheit bieten, und im übrigen sind wir ja auch erst seit ein paar Wochen befreundet – da denkt man doch nicht gleich ans Heiraten. Und dann ist da noch etwas: ihr Vater mag mich nicht.«
Siegfried neigte den Kopf zur Seite und sah mich väterlich-freundlich an. »Seien Sie mir nicht böse, mein Junge, aber ich muß Ihnen etwas sagen. Vorsicht ist zwar oft eine Tugend, aber man soll es damit auch nicht übertreiben. Sie neigen dazu. Das zeigt sich auf mancherlei Weise. Zum Beispiel in der bedächtigen Art, wie Sie bei Ihrer Arbeit Probleme anpacken. Sie sind immer zu bange, gehen ängstlich Schritt für Schritt vor, wo Sie einen kühnen Sprung tun sollten. Sie sehen Gefahren, wo keine sind. Sie müssen lernen, eine Chance zu ergreifen. Und noch etwas möchte ich Ihnen sagen – ich weiß, Sie nehmen es mir nicht übel. Ich fürchte, solange Sie nicht verheiratet sind, wird Ihre Assistenz mir nicht die Hilfe sein, die ich brauchte. Sie werden, offen gesagt, immer unkonzentrierter und wirrer, so daß ich allmählich glaube, Sie wissen oft gar nicht, was Sie tun.«
»Wovon reden Sie denn eigentlich? Ich habe noch nie...«
»Lassen Sie mich ausreden, James. Was ich sage, ist wahr. Sie gehen umher wie ein Schlafwandler. Und Ihre neue Angewohnheit, in die Luft zu starren, wenn ich mit Ihnen rede, beunruhigt mich. Da gibt es nur eine Kur, mein Junge.«
»Eine ganz einfache, kleine Kur, nicht wahr?« schrie ich. »Kein Geld, keine Wohnung, aber ein kühner Sprung in die Ehe hinein!«
»Sehen Sie, das ist typisch für Sie: Sie suchen nach Schwierigkeiten.« Er sah mich mit einem mitleidigen Lächeln an. »Kein Geld, sagen Sie. Nun, in Kürze werden Sie mein Partner sein. Ihr Schild wird in den nächsten Tagen draußen am Zaun angebracht. Ums tägliche Brot brauchen Sie sich also nicht zu sorgen. Und was eine Wohnung betrifft – denken Sie an all die leeren Zimmer hier im Haus. Sie können von mir aus oben eine ganze Zimmerflucht haben.«
Ich fuhr mir zerstreut mit der Hand durchs Haar. Mir drehte sich alles vor den Augen. »Sie stellen es alles so einfach hin!« rief ich.
»Es ist einfach!« Siegfried sprang von seinem Stuhl auf. »Los, gehen Sie! Fragen Sie das Mädchen unverzüglich, und schleppen Sie die Person noch diesen Monat zum Traualtar!«Er drohte mir mit dem Finger. »Lernen Sie, entschlossen zu handeln, James. Werfen Sie Ihr Zaudern ab!« Er ballte die Hand zur Faust und nahm eine theatralische Haltung an. »Und bedenken Sie, es gibt in den Gezeiten des Lebens Augenblicke...«
»Gut, gut!« sagte ich und erhob mich erschöpft aus meinem Sessel. »Genug, ich habe die Botschaft verstanden. Ich gehe jetzt ins Bett.«
Sicherlich war ich nicht der erste, dessen Leben durch einen von Siegfrieds gelegentlichen Ausbrüchen entscheidend beeinflußt wurde. Als ich Helen fragte, ob sie mich heiraten wolle, sagte sie ja, und wir beschlossen, die Sache nicht auf die lange Bank zu schieben. Im ersten Augenblick war sie überrascht – vielleicht hatte sie eine ähnliche Meinung von mir wie Siegfried und hatte erwartet, daß es Jahre brauchen würde, bis ich mich aufraffte.
Wir waren glücklich. Nur eine einzige Wolke stand am Horizont, aber es war eine drohende Wolke. Helen erinnerte mich daran, als ich Hand in Hand mit ihr spazierenging.
»Du, Jim«, sagte sie, »du mußt jetzt aber wirklich mit Vater sprechen. Es ist Zeit, daß er es erfährt.«
Kapitel 38
Ich hatte mich schon lange damit abgefunden, daß man als Tierarzt, zumal auf dem Lande, oft mit Schmutz und Gestank in Berührung kam. Aber eines Abends, als ich aus der Badewanne stieg und schnuppernd feststellte, daß meine Hände und Arme noch genauso scheußlich und penetrant nach Tom Dearlovers Reinigungsmittel rochen wie
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