Der Doktor und das liebe Vieh
mit der großen Champagnerflasche zur Stelle war.
Hier hatte ich zum erstenmal Gelegenheit, Champagner literweise zu trinken, und es war ein lohnendes Erlebnis. Sehr bald spürte ich eine wunderbare Leichtigkeit, und ich empfand auch alles viel intensiver. Jetzt ängstigte mich diese neue Welt nicht mehr, ich begann sie zu genießen. Ich tanzte mit allen Damen, die mir über den Weg liefen – mit bezaubernden jungen Schönheiten, würdigen Matronen und zweimal mit einer kichernden Mrs. Pumphrey.
Ich redete auch, und zwar geistreich. Mehrfach staunte ich selbst über meine Geistesblitze. Einmal sah ich mich in einem Spiegel – ein distinguierter Herr mit einem Glas in der Hand. Bei diesem Anblick verschlug es mir glatt die Sprache.
Essen, Trinken, Plaudern, Tanzen – der Abend verging wie im Flug. Als es Zeit zum Aufbruch war und ich schon im Mantel in der Halle stand, um mich von Mrs. Pumphrey zu verabschieden, erschien François abermals, und zwar mit einem Teller heißer Suppe. Er schien zu befürchten, daß ich auf der Heimfahrt einen Schwächeanfall erleiden könnte.
Nach der Suppe sagte Mrs. Pumphrey: »Und jetzt müssen Sie Tricki gute Nacht wünschen. Er wird es Ihnen niemals verzeihen, wenn Sie es nicht tun.« Wir gingen in sein Zimmer. Der kleine Hund gähnte mir aus der Tiefe seines Sessels entgegen und wedelte mit dem Schwanz. Mrs. Pumphrey legte die Hand auf meinen Arm. »Da Sie gerade hier sind, möchte ich Sie bitten, sich freundlicherweise seine Krallen anzusehen. Ich fürchte, daß sie zu lang sind.«
Ich hob eine Pfote nach der anderen hoch und betrachtete kritisch die Krallen, während Tricki meine Hände leckte.
»Nein, Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen, sie sind völlig in Ordnung.«
»Vielen Dank, Mr. Herriot. So, jetzt müssen Sie sich die Hände waschen.«
In dem vertrauten Badezimmer mit den meergrünen Waschbecken, den Emailfischen an den Wänden, dem Frisiertisch und den Flaschen auf den Glasborden sah ich mich um, während das dampfende Wasser aus dem Hahn floß. Da war mein Handtuch neben dem Waschbecken, und da lag das übliche neue Stück Seife – eine Seife, die sofort schäumte und einen köstlichen Duft verströmte. Dies war der letzte Hauch von Luxus an einem verschwenderischen Abend. Hinter mir lagen ein paar Stunden voller Pracht und Licht, und ich nahm die Erinnerung mit nach Skeldale House.
Ich ging ins Bett, knipste das Licht aus und starrte, auf dem Rücken liegend, in die Dunkelheit. Musikfetzen schwirrten mir noch immer durch den Kopf, und gerade begann ich mich wieder im Tanz zu drehen, als das Telefon läutete.
»Hier ist Atkinson von Beck Cottage«, sagte eine ferne Stimme. »Ich habe hier eine Sau, die nicht ferkeln kann. Sie versucht es schon den ganzen Abend. Können Sie herkommen?«
Ich sah auf die Uhr, nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte. Es war zwei Uhr nachts. Ich war völlig benommen. Eine ferkelnde Sau unmittelbar nach dem Champagner, dem geräucherten Lachs und diesen kleinen Biskuits mit den schwarzen Kaviarhäufchen! Und noch dazu in Beck Cottage, einem der primitivsten Bauernhöfe in unserer Gegend. Es war gemein.
Verschlafen streifte ich den Pyjama ab und zog mein Hemd an. Als ich nach der steifen, abgewetzten Kordhose langte, die ich bei der Arbeit trug, versuchte ich, nicht zu dem Leihanzug hinzusehen, der an einer Ecke des Kleiderschrankes hing.
Es waren nur zwei Meilen bis Beck Cottage. Das Anwesen lag in einer Senke und verwandelte sich im Winter in einen Sumpf. Ich stieg aus meinem Wagen und watete durch den Matsch zur Haustür. Da niemand auf mein Klopfen antwortete, ging ich zu den gegenüberliegenden Gebäuden und öffnete die Tür des Kuhstalls. Warmer, süßlicher Rindergeruch schlug mir entgegen. Weiter hinten erspähte ich ein Licht, dessen trüber Schein eine stehende Gestalt aus dem Dunkel heraushob. Ich ging an den Kühen vorbei, zwischen denen sich schadhafte hölzerne Trennwände befanden und hinter denen sich Berge von Dung türmten. Mr. Atkinson schien nichts von allzu häufigem Ausmisten zu halten.
Über Löcher im Boden stolpernd, durch Urinpfützen planschend, erreichte ich endlich einen provisorischen Verschlag. Von der Sau waren kaum mehr als die Umrisse zu erkennen: ein fahles, auf der Seite liegendes Etwas. Das Tier bewegte sich nicht auf seinem dürftigen Strohlager, nur von Zeit zu Zeit lief ein Zittern über seine Flanken.
Mr. Atkinson empfing mich kühl. Er war in mittleren Jahren, hatte einen acht
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