Der Doktor und das liebe Vieh
seines Strampelns herauszuziehen. Als es glücklich draußen war, schien es sich mit seinem Schicksal abzufinden und torkelte zum Euter seiner Mutter.
»Sie hilft überhaupt nicht mit«, sagte ich. »Na ja, sie ist eben völlig erschöpft. Ich werde ihr eine Spritze geben.«
Eine weitere mühsame Expedition durch den Matsch zum Wagen, eine Pitruitin-Injektion, und wenige Minuten später setzten starke Wehen ein. Bald darauf wälzte sich ein rosa Ferkel im Stroh, dann noch eines und noch eines.
»Kommen heraus wie am Fließband«, sagte ich. Mr. Atkinson brummte irgend etwas.
Acht Ferkel waren geboren, und das Licht der Lampe drohte schon zu erlöschen, als eine dunkle Masse, die Nachgeburt, aus der Scheide der Sau quoll.
Ich rieb meine kalten Arme. »So, das war’s wohl.« Die kleinen Ferkel tappten unbeholfen zu der langen Doppelreihe der Zitzen, und die Mutter streckte sich aus, um möglichst viel von ihrem Euter den hungrigen Mäulern darzubieten.
Mich fror plötzlich. Ich machte noch einen Versuch mit der steinharten Seife, aber vergebens. Meine rechte Wange und die Rippen starrten vor Schmutz. So gut es ging, kratzte ich ihn mit den Fingernägeln ab, dann wusch ich mich in dem kalten Wasser.
»Haben Sie ein Handtuch da?« keuchte ich.
Der Sack, den Mr. Atkinson mir wortlos reichte, war an den Rändern steif von altem Dung, und er roch muffig nach dem Mehl, das er vor langer Zeit enthalten hatte. Ich nahm ihn und rieb meinen Oberkörper ab. Als ich das Hemd anzog, hatte ich das Gefühl, in meine eigene Welt zurückzukehren. Bevor ich den Stall verließ, warf ich einen letzten Blick in den Verschlag. Die Fahrradlampe brannte nur noch ganz schwach, und ich mußte mich über die Trennwand beugen, um sehen zu können, wie die kleinen Ferkel eifrig und völlig vertieft saugten. Die junge Sau bewegte sich vorsichtig und ließ ein Grunzen tiefer Zufriedenheit hören.
Auf der Heimfahrt mußte ich einmal aussteigen, um ein Gatter zu öffnen. Ich stand eine Weile da und blickte über die dunklen Felder. Meine Gedanken wanderten zurück zu meiner Schulzeit. Eines Tages hatte ein alter Lehrer zu uns über Berufswahl gesprochen. »Wer sich entschließt, Tierarzt zu werden, der wird zwar niemals zu den Reichen zählen, aber dafür ein interessantes und abwechslungsreiches Leben haben.«
Ich lachte laut in die Dunkelheit hinein. Der alte Bursche hatte recht gehabt. Abwechslungsreich. Ja, abwechslungsreich war dieses Leben bestimmt.
Kapitel 12
Ich ließ die chirurgische Nadel auf das Tablett fallen und trat zurück, um die fertige Arbeit zu begutachten. »Also ohne mich loben zu wollen, es sieht recht hübsch aus.«
Tristan stand über den bewußtlosen Hund gebeugt und untersuchte den sauberen Schnitt mit der Reihe regelmäßiger Stiche. »Tatsächlich sehr hübsch, mein Junge. Ich selbst hätte es nicht besser machen können.«
Der große schwarze Neufundländer lag regungslos auf dem Tisch, die Zunge herausgestreckt, die Augen blicklos und glasig. Man hatte ihn mit einer häßlichen Geschwulst über den Rippen zu uns gebracht, und ich hatte entschieden, daß es ein harmloses Lipom sei, gutartig und sehr geeignet für einen operativen Eingriff. Und diese Diagnose hatte sich bestätigt. Ich hatte die Geschwulst mühelos herausschälen können, sie war rund, intakt und glatt. Keine Blutung, und es war auch nicht zu befürchten, daß sich ein neues Lipom bildete.
Die häßliche Schwellung war durch diese saubere Naht ersetzt worden, die in einigen Wochen nicht mehr zu sehen sein würde. Ich war froh und zufrieden.
»Am besten behalten wir ihn hier, bis er zu sich kommt«, sagte ich. »Fassen Sie mal mit an, Tristan, wir wollen ihn auf die Decken legen.« Wir betteten den Hund vor einem elektrischen Ofen, und dann brach ich zu meiner morgendlichen Runde auf.
Beim Lunch hörten wir den seltsamen Laut zum erstenmal. Es war ein Mittelding zwischen Stöhnen und Heulen, fing ganz leise an, steigerte sich zu gellender Höhe und glitt dann die Tonleiter wieder hinab.
Siegfried sah erschrocken von seiner Suppe auf. »Um Gottes willen, was ist das?«
»Muß der Hund sein, den ich heute morgen operiert habe«, antwortete ich. »Die Wirkung der Barbiturate läßt nach, und er kommt langsam zu sich. Ich denke, das Geheul wird bald aufhören.«
Siegfried sah mich zweifelnd an. »Na, hoffentlich. Mir langt’s. Klingt ja schauerlich.«
Wir gingen hinüber und sahen nach dem Hund. Der Puls war kräftig, die Atmung tief
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