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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Tristan zurück.
    »Ich rede von dir, nicht von mir!« brüllte Siegfried.
    Ich schloß die Augen. Der Friede hatte nicht lange gedauert. Ich versuchte ein Ablenkungsmanöver. »Wie ist sie denn nun, die neue Sekretärin?«
    Siegfried unterdrückte mühsam seine Erregung. »Eine Frau in den Fünfzigern, die sich nach dreißigjähriger Tätigkeit bei Green und Moulton in Bradford zur Ruhe gesetzt hat. Sie war da Chefsekretärin, und die Firma hat sie mir wärmstens empfohlen. Sie soll ein Muster an Tüchtigkeit sein, und genau das brauchen wir hier in der Praxis – Tüchtigkeit. Wir sind viel zu schlampig. Es ist ein wahrer Glücksfall, daß sie sich entschlossen hat, nach Darrowby zu ziehen. Übrigens werdet ihr sie in wenigen Minuten kennenlernen – sie kommt um zehn.«
    Die Kirchenuhr schlug, und im gleichen Augenblick läutete die Türglocke. Siegfried eilte hinaus, um zu öffnen, und führte seine große Entdeckung triumphierend ins Zimmer.
    »Meine Herren, ich möchte Sie mit Miss Harbottle bekannt machen.«
    Sie war eine große, hochbusige Frau mit einem runden, gesunden Gesicht und einer goldgeränderten Brille. Unter ihrem Hut lugten üppige dunkle Locken hervor; das Haar sah aus, als sei es gefärbt, und paßte nicht zu der strengen Kleidung und den derben Schuhen.
    Mir schoß der Gedanke durch den Kopf, daß wir uns keine Sorgen zu machen brauchten: Diese Frau würde bestimmt nicht weggeheiratet werden. Wenn sie auch nicht gerade häßlich war, so hatte sie doch ein vorspringendes Kinn, das ihr ein herrisches Aussehen verlieh, und damit würde sie jeden Mann in die Flucht schlagen.
    Ich gab Miss Harbottle die Hand und war erstaunt, wie fest sie zupackte. Die freundschaftliche Kraftprobe dauerte ein paar Sekunden, dann endete sie unentschieden, und Miss Harbottle wandte sich Tristan zu. Er war völlig unvorbereitet und erschrak sichtlich, als sie seine Hand ergriff; sie ließ sie erst wieder los, als er leicht in den Knien einknickte.
    Nun begann sie einen Rundgang durch das Büro, während Siegfried ihr händereibend folgte und aussah wie ein Verkäufer, der seinen Lieblingskunden herumführt. Am Schreibtisch blieb sie stehen und betrachtete das Durcheinander von bezahlten und unbezahlten Rechnungen, Formularen vom Landwirtschaftsministerium, Rundschreiben von pharmazeutischen Firmen, Tablettenschachteln und Tuben mit Eutersalbe.
    Sie wühlte angeekelt in den Papieren, zog das alte Hauptbuch mit seinen vielen Eselsohren hervor und hielt es zwischen Zeigefinger und Daumen hoch. »Was ist das?«
    »Unser Hauptbuch«, erklärte Siegfried. »Hier hinein übertragen wir die Besuche aus unserem Terminkalender, der auch irgendwo liegen muß.« Er suchte auf dem Schreibtisch herum.
    »Ach, da ist er ja. Hier werden die Anrufe notiert.«
    Sie betrachtete die beiden Bücher ein paar Minuten lang mit einem Ausdruck des Erstaunens, der schließlich einem grimmigen Lächeln wich. »Meine Herren, Sie müssen anständig schreiben lernen, wenn ich mich um Ihre Buchführung kümmern soll. Hier sind drei verschiedene Handschriften, und diese ist bei weitem die schlimmste. Absolut unleserlich. Wer hat das geschrieben?«
    Sie zeigte auf eine Notiz, die aus einer langen, gebrochenen und gelegentlich gewellten Linie bestand.
    »Das war ich«, gestand Siegfried und trat von einem Bein aufs andere. »Muß da gerade sehr in Eile gewesen sein.«
    »Aber alle Ihre Eintragungen sind so geschrieben, Mr. Farnon. Sehen Sie, hier und hier und hier. Das geht nun wirklich nicht.«
    Siegfried legte die Hände auf den Rücken und ließ den Kopf hängen.
    »Ich nehme an, hier bewahren Sie Schreibpapier und Umschläge auf.« Die Schublade, die sie herauszog, quoll über von alten Samenpäckchen. Die meisten waren aufgeplatzt. Ein paar Erbsen und Bohnen rollten sanft von der Spitze des Haufens herab. Die nächste Schublade enthielt eine Menge Stricke, wie sie beim Kalben verwendet werden. Offenbar hatte man vergessen, sie zu waschen, denn sie stanken zum Himmel. Miss Harbottle prallte zurück. Aber sie war nicht so leicht abzuschrecken und zerrte hoffnungsvoll an der dritten Schublade, die sich mit einem melodischen Klingeln öffnete. Miss Harbottle sah auf eine staubige Reihe leerer Bierflaschen hinab.
    Sie richtete sich langsam auf. »Und wo, wenn ich fragen darf, ist Ihre Geldkassette?«
    »Ach, wir stopfen alles in den Topf hinein, wissen Sie.« Siegfried zeigte auf den Kaminsims, wo der Zinnkrug stand. »Wir haben keine richtige

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