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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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hinausgeflogen; er wußte, der Bruder würde alles vergessen, wenn er ihm nur ein paar Tage aus dem Weg ging. Und er hatte auch diesmal Glück gehabt, denn Siegfried hatte seinem Bankdirektor ein Darlehen für einen wunderschönen neuen Rover abgeschwatzt, und das hatte alles andere aus seinem Gedächtnis verdrängt.
    Es war ein ausgemachtes Pech, daß nach dem Hillman nun auch noch der Austin in die Binsen ging. Der Wagen sauste jetzt mit etwa siebzig Meilen Stundengeschwindigkeit den langen, grünen Hang hinunter. Eine nach der anderen sprangen die Türen auf, bis alle vier wild flatterten und der Wagen wie ein riesiger, plumper Vogel bergab raste. Aus den offenen Türen fielen Flaschen, Instrumente, Bandagen und Watte und hinterließen eine lange Spur.
    Tristan warf die Arme hoch. »Schauen Sie! Das verdammte Ding steuert genau auf die Hütte zu.« Er zog nervös an seiner Zigarette.
    Auf dem kahlen Hang war weit und breit nur ein einziges Hindernis zu sehen – eine Hütte am Fuß des Berges, dort, wo das Land eben wurde –, und wie von einem Magneten angezogen, donnerte der Austin geradewegs darauf los.
    Ich konnte es nicht länger mit ansehen. Unmittelbar vor dem Zusammenprall wandte ich mich ab und konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf die leuchtendrote Glut von Tristans Zigarette. Dann krachte es, und ich blickte ins Tal. Die Hütte war nicht mehr da. Auf den Trümmern lag friedlich der kleine Wagen, und seine Räder drehten sich noch träge.
    Als wir den Hang hinunterliefen, wußte ich genau, wie Tristan zumute war. Er mußte jetzt Siegfried beichten, daß er den Austin zertrümmert hatte – ein scheußlicher Gedanke! Auf dem Weg zum Schauplatz der Verwüstung kamen wir an Spritzen, Skalpellen und Ampullen mit Impfstoff vorbei.
    Besorgt machten wir uns daran, den Austin zu untersuchen. Die Karosserie war vorher schon zerbeult und eingedrückt gewesen, so daß es nicht leicht war, irgendwelche neuen Beschädigungen zu erkennen. Das hintere Ende war allerdings stark eingedrückt, aber das fiel nicht sonderlich auf. Der einzige wirklich sichtbare Schaden war ein zerschmettertes Rücklicht. Von neuer Hoffnung erfüllt, machten wir uns auf den Rückweg zum Hof, um Hilfe zu holen.
    Der Bauer begrüßte uns freundlich. »Na, ihr Burschen, kommt ihr, um noch ein Bier zu trinken?«
    »Das wäre gar nicht so übel«, meinte Tristan. »Wir haben nämlich einen kleinen Unfall gehabt.«
    Wir gingen ins Haus, und der gastfreie Mann öffnete ein paar Flaschen. Die Nachricht von der Zerstörung der Hütte nahm er gleichmütig hin. »Das ist nicht meine – die gehört dem Golfklub.«
    Tristan fuhr in die Höhe. »O nein! Sagen Sie nicht, wir hätten das Quartier des Golfklubs von Darrowby plattgewalzt!«
    »Doch, mein Junge, das haben Sie getan. Es ist das einzige Holzhaus auf den Feldern. Dieser Teil meines Besitzes ist an den Klub vermietet, und sie haben dort einen kleinen Platz mit neun Löchern angelegt. Machen Sie sich keine Sorgen, es spielt sowieso kaum jemand darauf – eigentlich nur der Bankdirektor, und den Kerl kann ich nicht leiden.«
    Mr. Prescott holte ein Pferd aus dem Stall. Wir kehrten zum Wagen zurück und richteten ihn auf. Leicht zitternd stieg Tristan ein und betätigte den Starter. Der wackere kleine Motor begann sofort zu rattern, und Tristan fuhr vorsichtig über die zertrümmerten Holzwände auf die Grasfläche.
    »Vielen Dank, Mr. Prescott«, rief er. »Wir scheinen noch mal davongekommen zu sein.«
    Der Bauer zwinkerte uns zu und hob einen Finger. »Sie sagen nichts über die Sache, und ich sage auch nichts. Einverstanden?«
    »Einverstanden! Los, Jim, steigen Sie ein.« Tristan trat auf den Gashebel, und wir tuckerten den Berg wieder hinauf. Als wir auf die Straße kamen, wandte sich Tristan mir zu. »Wissen Sie, Jim, das ist ja alles schön und gut, aber die Sache mit dem Rücklicht muß ich Siegfried doch beichten. Und natürlich kriege ich wieder einen Rüffel. Finden Sie es nicht ungerecht, daß er mich für alles verantwortlich macht, was seinen Autos passiert? Sie haben es ja oft genug erlebt – immer läßt er mich diese verdammten alten Wracks fahren, und wenn sie auseinanderfallen, gibt er mir die Schuld. Die verdammten Reifen haben überhaupt kein Profil mehr, aber wenn einer platzt, macht er mir die Hölle heiß. Es ist nicht fair.«
    »Siegfried ist nun mal nicht der Mann, der stumm leidet«, erwiderte ich. »Er muß sich durch Geschrei abreagieren, und bei wem könnte er das

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