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Der Doktor und das liebe Vieh

Der Doktor und das liebe Vieh

Titel: Der Doktor und das liebe Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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abhängte, aber es kam immer näher. Und das Milchauto wurde offenbar von einem wagemutigen Fahrer gelenkt, der ein Rennen veranstalten wollte.
    Mit wachsender Unruhe sah ich die beiden Wagen auf uns zukommen. Sie waren jetzt nur noch ein paar hundert Yards entfernt, fuhren nebeneinander und nahmen die ganze Straßenbreite ein. Natürlich mußte der alte Wagen hinter dem Milchauto einschwenken, aber er ließ sich Zeit dafür. Tristan trat auf die Bremse. Wenn der Fahrer des Milchautos dasselbe tat, konnte der andere Wagen uns gerade noch ausweichen. Aber innerhalb von Sekunden wurde mir klar, daß nichts dergleichen geschehen würde, und ich machte mich in dumpfem Entsetzen auf einen Frontalzusammenstoß gefaßt.
    Unmittelbar bevor ich die Augen schloß, sah ich flüchtig ein großes, erschrockenes Gesicht hinter dem Lenkrad des alten Wagens, dann traf etwas mit ohrenbetäubendem Krach die linke Seite des Rover.
    Als ich die Augen öffnete, standen wir. Nur Tristan und ich waren da, und wir starrten auf die Straße, die sich vor uns leer und still durch das friedliche Grün der Hänge schlängelte.
    Ich saß eine Weile regungslos mit pochendem Herzen da, bevor ich über meine Schulter blickte und den Milchwagen mit hoher Geschwindigkeit in einer fernen Kurve verschwinden sah. Dann betrachtete ich interessiert Tristans Gesicht – es war grün.
    Ein Luftzug, der von links kam, bewog mich, in diese Richtung zu schauen. Auf meiner Seite des Wagens gab es keine Türen mehr – die eine lag ein paar Yards hinter uns im Straßengraben, und die andere, die nur noch an einer zerbrochenen Angel hing, fiel in dem Augenblick, als ich hinsah, klappernd auf den Asphalt. Völlig benommen stieg ich aus, um mir den Schaden zu besehen. Die linke Seite des Rover war ein Wrack, aufgerissen von dem alten Wagen, der in letzter Sekunde zum Straßenrand hin ausgewichen war.
    Tristan hatte sich ins Gras sinken lassen, sein Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung. Ein häßlicher Kratzer auf dem Lack hätte ihn in Panik versetzt, aber die Totalzerstörung schien seine Sinne betäubt zu haben. Dieser Zustand dauerte jedoch nicht lange; er begann zu blinzeln und tastete dann nach seinen Zigaretten. Was wird er jetzt tun? fragte ich mich.
    Nach einer kurzen Einschätzung der Lage kam ich zu dem Ergebnis, daß er drei Verhaltensmöglichkeiten hatte. Erstens, und das war wohl am günstigsten, konnte er für immer aus Darrowby verschwinden – notfalls emigrieren. Zweitens konnte er geradewegs zum Bahnhof gehen und nach Brawton fahren, um dort friedlich bei seiner Mutter zu leben, bis der Sturm vorüber war. Drittens, und daran wagte ich kaum zu denken, konnte er nach Skeldale House zurückkehren und Siegfried erzählen, daß er den neuen Rover kaputtgefahren hatte.
    Während ich die Möglichkeiten abwägte, entdeckte ich den alten Wagen, der uns gestreift hatte. Er lag mit dem Verdeck nach unten in einem Graben etwa fünfzig Yards hinter uns. Ich lief sofort hin. Aus dem Wagen drang lautes Gegacker, und mir fiel ein, daß Markttag war und viele Bauern ein paar Kisten mit Hühnern sowie zwanzig bis dreißig Dutzend Eier für den Verkauf mit sich führten. Wir spähten durch eines der Wagenfenster. Ein fetter Mann, offensichtlich unverletzt, lag in einer großen Lache zerbrochener Eier. Sein Gesicht war zu einem breiten beruhigenden Lächeln verzogen. Um ihn herum flatterten und gackerten Hühner, die bei dem Zusammenprall aus ihren Kisten entkommen waren und nun einen Fluchtweg suchten.
    Der fette Mann auf dem Eierlager sah uns strahlend an und schrie irgend etwas, aber die Hühner machten einen solchen Spektakel, daß er kaum zu verstehen war. Es gelang mir, ein paar Satzfetzen aufzuschnappen. »Tut mir sehr leid... einzig und allein meine Schuld... ich ersetze den Schaden.«
    Tristan brachte es fertig, eine Wagentür aufzureißen, aber er wurde durch den wilden Ansturm der Hühner sofort zurückgedrängt. Einige suchten eiligst das Weite, während ihre weniger abenteuerlustigen Gefährten philosophisch an der Straßenböschung herumpickten.
    »Ist Ihnen was passiert?« schrie Tristan.
    »Nein, nein, junger Mann. Ich bin nicht verletzt. Machen Sie sich keine Sorgen um mich.« Der fette Mann bemühte sich erfolglos, aus der schwabbelnden Masse hochzukommen. »Äh, tut mir wirklich leid, das Ganze, aber ich ersetze Ihnen den Schaden, darauf können Sie sich verlassen.«
    Er streckte uns seine triefende Hand entgegen, und wir halfen ihm heraus.

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