Der Doktor und das liebe Vieh
besser als bei Ihnen, seinem Bruder?«
Tristan schwieg einen Augenblick, dann sagte er in sachlichem Ton: »Also ich will nicht behaupten, daß ich an der Sache mit dem Hillman ganz unschuldig gewesen wäre – ich nahm diese scharfe Kurve in Dringley mit sechzig Meilen und hatte den linken Arm um eine kleine Krankenschwester gelegt –, aber alles in allem hatte ich einfach Pech. Tatsächlich, Jim, ich bin ein hilfloses Opfer von Vorurteilen.«
Siegfried war gesundheitlich nicht auf der Höhe, als wir ihn in der Praxis trafen. Er brütete eine Erkältung aus und wirkte recht teilnahmslos, reagierte aber trotzdem sehr heftig auf die Unglücksbotschaft. »Himmeldonnerwetter! Jetzt hast du also das Rücklicht kaputtgemacht, du Idiot! Ich arbeite überhaupt nur noch, um deine Reparaturrechnungen zu bezahlen. Du ruinierst mich. Los, mach, daß du rauskommst. Ich bin fertig mit dir.«
Tristan zog sich würdevoll zurück und ließ sich, wie er es in solchen Fällen stets tat, für den Rest des Tages nicht mehr blicken. Er sah seinen Bruder erst am folgenden Morgen wieder. Siegfrieds Zustand hatte sich verschlechtert; die Erkältung war zu einer Kehlkopfentzündung geworden. Er lag mit einem Halswickel im Bett und blätterte müde in der Darrowby and Houlton Times, als Tristan und ich sein Schlafzimmer betraten.
»Habt ihr das hier gesehen?« krächzte er heiser. »Das Golfklubhaus ist gestern völlig zerstört worden, und niemand weiß, wie es passiert ist. Seltsame Sache. Stand es nicht auf Prescotts Wiese?« Sein Kopf fuhr plötzlich vom Kissen hoch, und er blickte seinen Bruder mißtrauisch an. »Du warst gestern da!« stieß er hervor. Dann sank er zurück und murmelte: »O nein, tut mir leid, das ist ja lächerlich. Ich kann dir doch nicht an allem die Schuld geben.«
Tristan machte große Augen. So milde hatte er Siegfried noch nie sprechen hören. Mich durchzuckte der angstvolle Gedanke, ob mein Chef etwa im Delirium sei.
Siegfried schluckte mühsam. »Eben ist ein dringender Anruf von Armitage aus Sorton gekommen. Eine seiner Kühe hat Milchfieber. Ich möchte, daß du James sofort hinfährst. Los, beweg dich!«
»Das geht leider nicht.« Tristan zuckte mit den Achseln. »Der Austin steht in Hammonds Werkstatt, und die Reparatur wird etwa eine Stunde dauern.«
»O Gott, und Armitage sagte, es sei keine Zeit zu verlieren. Er ist sehr aufgeregt. Meinte, die Kuh könnte jeden Moment sterben. Was machen wir da bloß?«
»Gib mir doch den Rover«, sagte Tristan ruhig.
Siegfried erstarrte vor Schreck. Er richtete sich mit einiger Anstrengung auf und blickte Tristan in die Augen. Als er zu sprechen begann, verlieh das qualvolle Zischen seiner Stimme den Worten eine besondere Drohung. »Ja, du wirst wohl den Rover nehmen müssen. Ich hätte nie gedacht, daß ich dich einmal mit ihm fahren lassen würde, aber eines laß dir gesagt sein: Wenn der Wagen auch nur einen Kratzer abkriegt, bringe ich dich um. Ich bringe dich mit diesen meinen Händen um.«
Siegfried war wieder ganz der Alte. Seine Augen schienen aus den Höhlen zu quellen, und eine dunkle Röte bedeckte seine Wangen, während Tristans Gesicht völlig ausdruckslos war. Unter Aufbietung aller Kräfte richtete Siegfried sich kerzengerade auf. »Traust du dir wirklich zu, mit dem Rover die fünf Meilen nach Sorton und zurück zu fahren, ohne ihn zu ruinieren? Gut, dann mach dich auf den Weg. Und denke an das, was ich gesagt habe.«
Draußen auf dem Flur rieb sich Tristan vergnügt die Hände. »Was für ein Glücksfall, Jim. Eine einmalige Chance! Wissen Sie, ich hätte nicht gedacht, daß ich eines Tages am Steuer dieses Rover sitzen würde.« Er dämpfte seine Stimme zu einem Flüstern. »Da sehen Sie wieder mal, daß sich immer alles zum Guten wendet.«
Fünf Minuten später fuhr er rückwärts aus dem Hof heraus, und als wir auf der Straße nach Sorton waren, sah ich, daß es ihm Spaß machte. Über eine Strecke von zwei Meilen lag die Straße gerade frei vor uns, lediglich ein Milchauto wurde in der Ferne sichtbar. Bequem in die dicken Lederpolster zurückgelehnt, trat Tristan kräftig auf den Gashebel.
Wir fuhren mühelos mit achtzig Meilen Geschwindigkeit, als ich sah, wie ein Auto hinter dem Milchwagen zum Überholen ansetzte. Es war ein altmodisches hohes Vehikel, das mit dem viereckigen Verdeck wie eine Keksdose auf Rädern aussah und eigentlich nicht für ein Überholungsmanöver geeignet war. Ich wartete darauf, daß der andere Wagen es
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