Der Doktor und das liebe Vieh
wirbelten eine Mischung aller möglichen angenehmen Gefühle auf. Wäre ich gebeten worden – wofür natürlich niemals die geringste Chance bestand –, Präsident der Königlichen Veterinärakademie zu werden, ich weiß nicht, ob mich das mehr gefreut hätte als diese Einladung zum Essen.
Der Grund war vermutlich darin zu suchen, daß aus den Worten die Einstellung eines typischen Bauern aus den Dales mir gegenüber sprach. Und dies allein zählte, denn wenn ich auch nach mehr als einem Jahr allmählich akzeptiert wurde, so war ich mir doch über die Kluft im klaren, die zwischen den Bergbauern und einer Stadtpflanze wie mir existierte. Obgleich ich diese Menschen sehr bewunderte, war ich mir immer bewußt, wie verschieden wir voneinander waren. Es war etwas ganz Natürliches, ich wußte es, und doch nagte es so an mir, daß ein echter Freundschaftsbeweis dieser Leute aus den Dales mich tief bewegte.
Besonders wenn es sich um jemanden wie Dick Rudd handelte. Ich hatte Dick im letzten Winter auf der Türschwelle von Skeldale House kennengelernt; es war um sechs Uhr früh gewesen, an einem dieser stockfinsteren Morgen, die einen Tierarzt auf dem Lande an der Richtigkeit seiner Berufswahl zweifeln lassen. Zähneklappernd knipste ich das Licht an und öffnete die Tür. Draußen stand ein kleiner Mann, der in einen alten Soldatenmantel und eine wollene Kapuze eingemummt war. Er hatte ein Fahrrad bei sich. Hinter ihm fiel das Licht auf ein Stückchen Bürgersteig. Es regnete in Strömen.
»Tut mir leid, Sie um diese Zeit aus dem Bett zu klingeln, Meister«, sagte er. »Ich bin Dick Rudd aus Coulston und habe eine Färse, die kalbt, aber es will und will nicht weitergehen. Würden Sie kommen?«
Ich besah mir das schmale Gesicht etwas genauer. Das Wasser lief über die Wangen und tropfte von der Nasenspitze. »Ist gut, ich ziehe mich nur rasch an. Aber wollen Sie Ihr Rad nicht hierlassen und mit mir im Wagen fahren? Bis nach Coulston sind es doch gute vier Meilen, und Sie müssen ja durch und durch naß sein.«
»Nein, nein, so ist’s schon in Ordnung.« Er grinste fröhlich, und unter der triefenden Kapuze strahlte mich ein Paar blaue Augen an. »Ich müßte sonst noch einmal zurückkommen und es holen. Ich fahre jetzt los und bin bestimmt nicht viel später da als Sie.«
Damit schwang er sich auf sein Rad und verschwand in der Dunkelheit. Leute, die glauben, ein Bauer führe ein angenehmes, bequemes Leben, hätten sehen sollen, wie die gekrümmte Gestalt durch den strömenden Regen davonradelte. Kein Auto, kein Telefon, eine Nachtwache bei der Färse, acht Meilen auf dem Rad – noch dazu bei diesem Wetter –, und vor ihm lag ein schwerer Tag. Wenn ich an das Leben der Kleinbauern dachte, erschienen mir die Dinge, die mir gelegentlich abverlangt wurden, recht unerheblich.
Ich half an diesem ersten Morgen einem hübschen lebenden Kalb auf die Welt, und später, als ich in der Küche des Bauernhauses dankbar eine Tasse heißen Tee trank, betrachtete ich verwundert die vielen jungen Rudds, die da umherliefen; es waren sieben, alle schon erstaunlich groß. Im Alter rangierten sie zwischen zwanzig und zehn; ich hätte nicht gedacht, daß Dick die Vierzig schon überschritten hatte, denn in der trüben Flurbeleuchtung von Skeldale House und später im Licht der rauchgeschwärzten Öllampe im Kuhstall hatte ich von seinen lebhaften Bewegungen und seiner munteren Art auf einen Mann in den Dreißigern geschlossen. Aber als ich ihn jetzt genauer ansah, stellte ich fest, daß sein kurzes, borstiges Haar schon grau meliert war und daß ein Labyrinth von Fältchen die Partie zwischen Augen und Wange überzog.
Am Anfang ihrer Ehe hatten die Rudds, die wie alle Bauern gern Söhne gehabt hätten, mit wachsendem Kummer die Ankunft von nacheinander fünf Töchtern beobachtet. »Wir waren schon nahe daran, aufzugeben«, vertraute Dick mir einmal an; aber sie gaben nicht auf, und ihre Ausdauer wurde am Ende durch zwei kräftige Jungen belohnt. Ein Bauer arbeitet für seine Söhne, und Dick hatte nun etwas, wofür er arbeiten konnte.
Als ich sie besser kennenlernte, entdeckte ich zu meinem Erstaunen, daß alle fünf Mädchen groß und langgliedrig waren und daß die beiden stämmigen Jungen ebenfalls groß zu werden versprachen, obwohl die Eltern ausgesprochen schmal und zierlich gebaut waren – »kein bißchen Ähnlichkeit mit uns«, sagte Mrs. Rudd immer.
Ich staunte auch, wie Mrs. Rudd, die nur über das Milchgeld von Dicks
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