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Der Doppelgänger

Der Doppelgänger

Titel: Der Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij , Fedor Michajlovic Dostoevskij
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Aufschub vertragende Notwendigkeit vorhanden? Herr du mein Gott! Was hat uns da der Teufel für eine Grütze gekocht! Und dabei hat dieser Mensch so einen Charakter, so ein spaßhaftes, unangenehmes Wesen, ein solcher Schuft ist er, eine solche Wetterfahne, ein Liebediener und Schmarotzer, so ein echter Goljadkin! Am Ende wird er sich gar noch schlecht führen und meinen Familiennamen beflecken, der Schurke! Da heißt es nun jetzt auf ihn aufpassen, ihn beaufsichtigen! Ach, ist das eine Heimsuchung!Übrigens wieso denn? Es ist ja doch gar nicht nötig! Na, wenn er ein Schuft ist, dann mag er in Gottes Namen ein Schuft sein; aber dafür ist der andere ein ehrenwerter Mensch. Na, wenn er nun ein Schuft sein wird, ich aber ehrenwert, dann werden sie sagen: ›Dieser Goljadkin hier ist ein Schuft; um den muß man sich nicht kümmern und darf ihn nicht mit dem andern verwechseln; der andere aber ist ehrenwert, tugendhaft, sanft, gutmütig, durchaus zuverlässig im Dienst und eines Avancements würdig. So ist das!‹ Na, gut ... aber wie, hm ... Aber wie werden sie, hm ... und sie werden uns doch verwechseln! Es sieht ihm ganz ähnlich, daß er es darauf anlegt! Ach du mein Herrgott! ... Und er gibt sich für einen andern Menschen aus, gibt sich für einen andern Menschen aus, dieser Schuft; als ob der andere ein alter Lappen wäre, gibt er sich für ihn aus und bedenkt nicht, daß ein Mensch kein alter Lappen ist. Ach du mein Herrgott! Ist das ein Unglück! ...«
    Unter solchen Überlegungen und Wehklagen lief Herr Goljadkin dahin, ohne auf den Weg zu achten, und beinah ohne selbst zu wissen, wohin. Erst auf dem Newski-Prospekte kam er zu sich, und zwar nur infolge des zufälligen Umstandes, daß er mit einem Passanten so geschickt und kräftig zusammenstieß, daß beiden die Funken aus den Augen sprühten. Herr Goljadkin murmelte, ohne den Kopf in die Höhe zu heben, eine Entschuldigung, und erst als der andere, der etwas nicht sehr Schmeichelhaftes zurückgemurmelt hatte, sich bereits in beträchtlicher Entfernung befand, richtete er den Kopf auf und sahsich um, wo er denn sei. Als er dabei bemerkte, daß er sich gerade vor dem Restaurant befand, in dem er sich zur Vorbereitung auf das Diner bei Olsufi Iwanowitsch erholt hatte, fühlte unser Held auf einmal ein Kneifen und Zwicken im Magen und erinnerte sich, daß er noch nicht zu Mittag gegessen hatte und nirgends zum Diner eingeladen war; ohne daher seine kostbare Zeit zu verlieren, lief er die Treppe zum Restaurant hinauf, um in aller Geschwindigkeit einen Bissen zu genießen und möglichst bald wieder fortzugehen. Und obgleich in dem Restaurant alles ein bißchen teuer war, so ließ sich Herr Goljadkin doch durch diesen unbedeutenden Umstand diesmal nicht zurückschrecken; er hatte keine Zeit, sich mit so unwichtigen Dingen aufzuhalten. In einem hellerleuchteten Zimmer stand eine ziemlich dichte Schar von Gästen um das Büfett herum, auf welchem eine Menge all solcher Speisen stand, wie sie von gutsituierten Leuten als Vorgericht genossen werden. Der Büfettkellner hatte alle Hände voll zu tun mit Einschenken, Hinreichen, Geldnehmen und -herausgeben. Herr Goljadkin wartete ein Weilchen, bis er herankonnte, und streckte dann bescheiden seine Hand nach einer kleinen Fischpastete aus. Darauf ging er in eine Ecke, wendete den Anwesenden den Rücken zu, aß mit gutem Appetite, kehrte dann wieder zu dem Büfettkellner zurück, stellte das Tellerchen auf den Tisch, zog, da er den Preis kannte, ein Zehnkopekenstück heraus und legte es auf den Schenktisch, wobei er den Blick des Kellners auffing, um ihn zu bedeuten: »Hier liegt das Geld; eine Pastete.«
    »Sie haben einen Rubel zehn Kopeken zu zahlen,« sagte der Kellner mürrisch.
    Herr Goljadkin war höchst erstaunt.
    »Meinen Sie mich? ... Ich ... ich habe ja wohl nur eine Pastete genommen.«
    »Sie haben elf genommen,« erwiderte der Kellner im Tone sicherer Überzeugung.
    »Sie irren sich wohl ... meines Erachtens irren Sie sich ... Ich habe ja wohl wirklich nur eine Pastete genommen.«
    »Ich habe gezählt; Sie haben elf Stück genommen. Da Sie sie genommen haben, müssen Sie sie auch bezahlen; umsonst wird bei uns nichts verabfolgt.«
    Herr Goljadkin war wie betäubt. »Was widerfährt mir da für eine Zauberei?« dachte er. Unterdessen wartete der Kellner auf Herrn Goljadkins Entschluß; man umdrängte neugierig Herrn Goljadkin; dieser griff schon in die Tasche, um einen Rubel herauszuholen und unverzüglich zu

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