Der Dorfpfarrer (German Edition)
die Stunden vergiften wird, die mir noch bleiben und während welcher ich nur an den Himmel denken muß? Er nagelt mich an der Erde fest!« schrie Véronique.
Der Pfarrer nahm wieder Madame Graslins Arm und zwang sie, einige Schritte mit ihm zu gehen; als sie allein waren, betrachtete er sie und warf ihr einen jener engelhaften Blicke zu, mit denen er die heftigsten seelischen Erregungen beruhigte.
»Wenn es sich so verhält,« sagte er zu ihr, »so befehle ich Ihnen als Ihr Beichtiger, ihn zu empfangen, gut und liebenswürdig gegen ihn zu sein, dies Kleid des Zornes abzulegen und ihm zu verzeihen, wie Gott Ihnen verzeihen wird. Es gibt also noch einen Rest Leidenschaft in dieser Seele, die ich geläutert wähnte! ... Verbrennen Sie dies letzte Korn Weihrauch auf dem Altare der Buße, wenn nicht alles in Ihnen Lüge sein soll.«
»Noch diese Anstrengung galt es zu machen, sie ist geschehen,« antwortete sie, ihre Augen trocknend. »Der Dämon hauste in dieser letzten Falte meines Herzens und Gott hat sonder Zweifel den Gedanken, der ihn hier herschickt, in Monsieur de Granvilles Herz gelegt. ... Wie viele Male will Gott mich denn noch schlagen?« schrie sie.
Sie blieb stehen, wie um ein stilles Gebet zu tun; sie kam zu der Sauviat zurück und sagte mit leiser Stimme zu ihr:
»Seien Sie sanft und gut zum Herrn Generalprokurator, liebe Mutter.«
Die alte Auvergnatin zitterte wie im Fieberschauer.
»Es gibt keine Hoffnung mehr,« sagte sie, des Pfarrers Hand ergreifend.
In diesem Moment kam die durch des Postillons Peitschenknall angekündigte Kalesche die Rampe herauf, das Tor war offen, der Wagen fuhr in den Hof und die Reisenden kamen sofort auf die Terrasse. Es waren der berühmte Erzbischof Dutheil, der Hochwürden Gabriel de Rastignac weihen wollte, der Generalprokurator, Monsieur Grossetête und Monsieur Roubaud, der einem der berühmtesten Pariser Aerzte, Horace Bianchon, den Arm reichte.
»Seien Sie willkommen,« sagte Véronique zu ihren Gästen. »Und Sie vor allem,« fuhr sie fort, dem Generalprokurator die Hand hinstreckend, der ihr eine Hand gab, die sie heftig drückte.
Monsieur Grossetêtes, des Erzbischofs und der Sauviat Erstaunen war so groß, daß es über die erworbene tiefe Verschwiegenheit, die Greise auszeichnet, obsiegte. Alle drei blickten sich an.
»Ich rechnete auf Hochwürdens Vermittlung,« antwortete Monsieur de Granville, »und auf die meines Freundes Grossetête, um eine günstige Aufnahme bei Ihnen zu finden. Es ist ein Kummer für mein ganzes Leben gewesen, Sie nicht wiedergesehen zu haben ...«
»Ich danke dem, der Sie hierher geführt hat,« erwiderte sie, den Grafen von Granville seit fünfzehn Jahren zum ersten Male anblickend. »Ich habe Ihnen lange Zeit über übelgewollt, habe aber die Ungerechtigkeit meiner Gefühle Ihnen gegenüber eingesehen, und Sie werden wissen warum, wenn Sie bis übermorgen in Montégnac bleiben. – Der Herr hier«, sagte sie, sich zu Horace Bianchon wendend, und ihn begrüßend, »wird meine Ahnungen sicherlich bestätigen. – Gott schickt Sie, Hochwürden,« fuhr sie fort und verneigte sich vor dem Erzbischofe. »Werden Sie es unserer alten Freundschaft nicht abschlagen, mir in meinen letzten Augenblicken beizustehen? Durch welche Gnade habe ich alle die Wesen um mich, die mich geliebt und in meinem Leben gestützt haben? ...«
Bei dem Worte »geliebt« wandte sie sich mit anmutiger Aufmerksamkeit an Monsieur de Granville, den dieser Liebesbeweis bis zu Tränen rührte. Tiefstes Schweigen herrschte in der Gesellschaft; die beiden Aerzte fragten sich, durch welchen Zauber diese Frau sich aufrechterhielte, indem sie leide, was sie leiden mußte. Die drei anderen waren so entsetzt über die Veränderungen, welche die Krankheit in ihr hervorgerufen hatte, daß sie sich ihre Gedanken nur durch die Augen mitteilten.
»Gestatten Sie,« sagte sie mit ihrer üblichen Anmut, »daß ich mit den Herren hier gehe, das Geschäft drängt ...«
Sie grüßte alle ihre Gäste, reichte jedem Arzte einen Arm und wandte sich dem Schlosse zu, indem sie mit einer Mühe und Langsamkeit schritt, die auf eine nahe Katastrophe hindeuteten.
»Monsieur Bonnet,« sagte der Erzbischof, den Pfarrer ansehend, »Sie haben Wunder getan!«
»Nicht ich, Gott, Hochwürden,« antwortete er.
»Man sagte, sie läge im Sterben,« rief Monsieur Grossetête, »aber sie ist tot. Sie ist nur noch Geist ...«
»Seele,« sagte Monsieur Gérard.
»Sie ist immer die gleiche,«
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