Der Drache aus dem blauen Ei
die Brust und holte Luft. Laut und schief sang er: „Aaalle kleinäään Draaachäään schwummen auf dem Seee …“
„Oje!“, rief Mama und hielt sich die Ohren zu.
„Schwummen auf dem Seee …“
„Lavundel hört sich wie eine Feuerwehrsirene an“, flüsterte Yasemin Anja zu. Leider stimmte das. Mogli begann laut zu heulen. „Ooouuu!“, hallte es durch das Klassenzimmer.
„Ach, äh, danke, das reicht jetzt!“, unterbrach Frau Aria hastig. „Pause!“ Und schon erklang wieder der Gong und alle packten ihre Pausenbrote aus.
„Schule macht Spaß“, sagte Lavundel zu Anja. Nach der Pause kam der nächste Lehrer rein. Ohne Perücke und Rock, dafür mit Strickweste. Unter seiner Nase klebte ein schwarzer Schnauzbart. Auf der Schulter saß ein Papagei.
„Hallo“, brummte er mit grabestiefer Stimme. „Ich bin Herr Walross, euer Naturkundelehrer. Das hier ist Paula. Seht ihr, wie schön sie mit den Flügeln schlagen kann?“
Er stupste den Vogel an und Paula flatterte gehorsam ein paarmal. Dann putzte sie sich die Federn.
„Und das lernt ihr jetzt auch“, sagte Herr Walross.
„Uns zu putzen?“, fragte Alexander.
„Natürlich nicht!“, brummte Herr Walross. „Ihr lernt Flattern. Na los! Alle auf die Tische!“
Yasemin fiel fast vom Tisch, so sehr musste sie lachen. Es sah aber auch zu komisch aus, wie alle mit den Armen wedelten.
„Schneller!“, befahl Herr Walross. „Schaut euch Lavundel an. Der macht es prima!“
Kunststück! Er hatte ja auch Flügel!
„Sehr gut“, lobte Herr Walross.
Am Ende des Schultages waren Yasemin und Familie Lukas völlig aus der Puste und hatten sehr viel über das Leben eines Drachen gelernt. Und Lavundel? Er bekam danach ein kleines Zeugnis. Von einem richtigen Lehrer! Es war ganz klein, kaum größer als eine halbe Postkarte. Herr Meisenbeißer hatte sich große Mühe gegeben, die Noten in winzig kleiner Schrift aufzuschreiben:
„Jupppieh!“, jubelte Lavundel und tanzte vor Freude mit Mogli um die Wette. Alle klatschten Beifall. Nur Alexander schüttelte ungläubig den Kopf. „Nicht zu fassen“, meinte er. „Lavundel ist wirklich das einzige Kind auf der ganzen weiten Welt, das unbedingt ein Zeugnis will!“
Der heißeste Tag des Jahres
Die Sommerferien hatten angefangen. Lavundel war immer noch grün und aß jeden Tag fünf Salatköpfe. Er wollte am liebsten auch in der Sonne liegen und ins Freibad gehen wie Alexander, Anja und Bo. Aber natürlich ging das nicht. Anja füllte jeden Tag die Badewanne für ihn. Lavundel konnte stundenlang die Luft anhalten. Manchmal lag er den ganzen Nachmittag über am Grund der Wanne und blinzelte unter Wasser mit seinen goldgrünen Augen.
Aber dann kam der heißeste Tag des Jahres. An diesem Samstag zeigte das Thermometer vierzig Grad. Die Luft flimmerte. Alle lagen nur japsend im Schatten und tranken eine gekühlte Limonade nach der anderen.
„Es reicht, Kinder“, meinte Papa schließlich. „Packt die Badesachen ein, wir radeln zum Baggersee. Lavundel bringen wir zu Herrn Meisenbeißer.“
Herrn Meisenbeißers Echsen hatten sich alle verkrochen. Mogli raffte sich nur zu einem müden „Wuff“ auf und legte sich dann wieder hechelnd auf den Fliesenboden im Flur. Auch die Papageien und Sittiche saßen nur träge herum.
Herr Meisenbeißer hatte sich ein nasses Handtuch wie einen Turban um den Kopf geschlungen. „Das kühlt schön“, meinte er. „Und Familie Lukas geht also baden?“
Anja hatte ein schlechtes Gewissen, als sie nickte. „Wir bleiben nicht lange weg“, versprach sie Lavundel. „Wir schwimmen nur ein paar Runden im Kindersee und holen dich dann gleich wieder ab.“
Lavundel seufzte. „Ich wull aber auch schwummen“, beschwerte er sich. „Alle Druchen fliegen jetzt über viele Länder und ein riesengroßes Meer zu den Unseln. Da gubt es weißen Sand und Palmen. Das Wasser ist schön hellblau und türkis. Es gibt bunte Fusche und Korallen und die Menschen dort tragen manchmal Blumenketten und bunte Tücher und tanzen gern. Die Druchen tauchen ganz tief und spielen mit den Fuschen. Mit Rochen und Haien. Nur Lavundel nicht.“
„Inseln mit weißen Sandstränden und Palmen. Ob er damit vielleicht die Karibik meint?“, fragte sich Mama.
„Wo ist das denn?“, wollte Alexander wissen.
„Sehr weit weg von China“, erwiderte Papa. „Schon bei Amerika. Der große Seefahrer Christoph Columbus ist vor vielen Jahrhunderten dorthin gesegelt. Früher gab es dort auch
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