Der Drache aus dem blauen Ei
Sogar ein paar Chamäleons dösten unter einer Lampe. In einem Riesenkäfig flatterten Wellensittiche herum. Herr Meisenbeißer räumte den großen Wohnzimmertisch frei, damit Anja den Käfig daraufstellen konnte.
„Wauuuauauuu!“, bellte Mogli.
„Wau!“, kam es krächzend aus der Zimmerecke, wo die zwei Papageien saßen. Doch als Herr Meisenbeißer „Pst!“ sagte, waren alle Tiere sofort still. Mogli wedelte nur noch mit dem Schwanz.
„Hoffentlich hat Moglis Gebell ihn nicht verschreckt“, meinte Yasemin.
Doch dann hörten sie alle ein Geräusch. „Rrrr“, machte es unter der Decke. „Rrrr!“
„Nach Angst hört sich das nicht an“, sagte Herr Meisenbeißer. Anja und Yasemin sahen einander an und grinsten. Anja zog das Tuch herunter. Der Drache lag zusammengekuschelt auf dem Kissen. Er schnarchte immer noch und schmatzte im Traum. Erst als Herr Meisenbeißer laut zu lachen begann, wachte er auf und blinzelte. „Was habt ihr denn da für ein Prinzesschen!“ Herr Meisenbeißer beugte sich über den Käfig. Der Drache sah sein eigenes Spiegelbild in den dicken Brillengläsern. Er gab ein verblüfftes „Uff!“ von sich. Dann krabbelte er hastig zum Rand des Kissens und streckte die Arme aus. „Anja!“, fiepste er.
Jetzt war Herr Meisenbeißer so verblüfft, dass ihm der Mund offen stehen blieb.
„Oha!“, rief er aus. „Da habe ich so viele Jahre im Zoo gearbeitet, aber ein sprechendes Schuppentier ist mir nie begegnet!“
„Wuff“, pflichtete ihm Mogli bei.
Anja machte rasch den Käfig auf und streckte ihre Hand, ohne zu zögern, dem Drachen hin. Ehe sie sichs versah, hopste er schon von dem Kissenberg auf ihre Handfläche. Er fühlte sich ein kühl an und glatt wie Seide. „Du musst keine Angst haben“, sagte sie beruhigend. „Das sind nur Mogli und Herr Meisenbeißer!“
„Heisenreißer?“, quietschte der Drache.
Yasemin kicherte.
Inzwischen hatte sich Herr Meisenbeißer vom ersten Schreck erholt. „So was habe ich ja noch nie gesehen! Er ist eine wissenschaftliche Sensation.“ Herr Meisenbeißer kratzte sich ratlos am Kopf. „Aber das Dumme ist: Ich weiß auch nicht, was kleine Drachen so fressen. Das müssen wir wohl herausfinden.“
„Gehen wir jetzt ins Echsenrestaurant?“, rief Yasemin mit leuchtenden Augen.
Herr Meisenbeißer lachte leise und zwinkerte Anja zu. Natürlich konnte er sich denken, dass sie ihrer Freundin diese Geschichte erzählt hatte. „Allerdings! Das beste Restaurant weit und breit! Mit vielen Leckerbissen auf der Speisekarte. Meine Geckos lecken sich alle zehn Zehen danach ab. Kommt mal mit!“
Das Restaurant war eigentlich eine kleine Speisekammer mit vielen Kisten und Glaskästen. Darin krabbelte und raschelte es. Anja wusste schon, was jetzt passieren würde. Oft hatte sie zugeschaut, wie Herr Meisenbeißer seine Echsen fütterte.
„Schau lieber weg! Das wird jetzt ziemlich eklig“, flüsterte sie Yasemin zu. Doch ihre Freundin ließ sich nicht abschrecken. Gespannt beobachtete sie, wie Herr Meisenbeißer einige Insekten und Würmer einsammelte und sie in eine kleine Kiste legte. Dann holte er mit der Pinzette einen fetten Mehlwurm wieder heraus und schwenkte ihn direkt vor der Nase des Drachen hin und her. „Hier! Ein hübsches Würmchen für dich! Lecker, lecker, lecker!“
„Iiih!“, kreischte der Drache.
Als Nächstes versuchte es Herr Meisenbeißer mit einer zappelnden Heuschrecke.
„Bäääh!“, prustete der Drache und rümpfte die Nase.
Auch Grillen und Kakerlaken mochte er nicht. Als ihm Herr Meisenbeißer schließlich auch noch ein Stück rohe Leber vor die Nase hielt, schüttelte der Drache entrüstet den Kopf. Dabei tat er so, als wäre ihm schlecht.
„Schwieriger Fall“, murmelte Herr Meisenbeißer und legte auch das Leberstückchen wieder weg. Der Magen des Drachen knurrte wieder jämmerlich. Er tat Anja leid, wie er sie so mit großen, hungrigen Augen ansah. Doch da fiel ihr Baby-Bo ein. Als er noch kleiner gewesen war, hatte er auch immer so geschaut, wenn er Hunger hatte. Und dann hatte Mama ihn jedes Mal gefüttert.
„Na klar! Er braucht Milch!“, rief sie aus. „Er ist ja noch ein Baby.“
Und schon rannte Anja mit dem kleinen Drachen in die Küche.
Das Rodeo
In Herrn Meisenbeißers Küche holte Anja eine Packung Milch aus dem Kühlschrank. Sie nahm eine der gescheckten Kuh-Tassen vom Regal und goss etwas Milch hinein. Das war gar nicht so einfach mit nur einer Hand, denn auf der anderen saß ja immer
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