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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sich benommen, ob die Spinnen wohl giftig gewesen waren – und das Schlimmste noch kommen würde. Als er merkte, dass ihm von neuem das Schluchzen in die Brust stieg und ihm den Atem rauben wollte, zwang er sich zum Aufstehen. Er musste weiter. Er musste.
    Tausend weiße Spinnen.
    Er musste weiter.
    Im trüben Licht der Kugel ging es stetig nach unten. Es glänzte auf von Feuchtigkeit schlüpfrigen Steinen und von Erde erstickten Quergängen, durch die sich bleiche Wurzeln schlängelten. Bestimmt musste er sich inzwischen tief unter der Burg befinden – tief unten in der schwarzen Erde. Nichts deutete darauf hin, dass Josua oder sonst jemand hier vorbeigekommen war. Simon war geradezu übelkeiterregend klar, dass er in der Dunkelheit und in seiner Verwirrung irgendeine Abzweigung verpasst haben musste und sich nun wie auf einer Wendeltreppe einen Abgrund hinabbewegte, aus dem es kein Entkommen gab.Er war schon so lange weitergestapft, so vielen Kehren und Windungen gefolgt, dass der Gedanke an die schmale rote Linie auf Morgenes’ altem Pergament längst seinen Sinn verloren hatte. In diesen engen Wurmlöchern, die einem die Luft abschnürten, gab es nichts, das auch nur entfernte Ähnlichkeit mit einer Treppe besaß. Selbst der glühende Kristall begann langsam zu flackern. Erneut verlor Simon die Kontrolle über die Stimmen, die ihn in den irren Schatten umzingelten wie eine grölende Menge.
    Dunkel, und es wird immer dunkler. Dunkel, und es wird immer, immer dunkler.
    Legen wir uns doch ein bisschen hin. Wir wollen schlafen, nur eine kleine Weile, schlafen …
    Der König hat ein Tier in sich, und Pryrates ist sein Wärter …
    »Gott segne dich, Junge«, hat Morgenes zu dir gesagt. Er kannte deinen Vater. Er bewahrte Geheimnisse.
    Josua geht nach Naglimund. Dort scheint Tag und Nacht die Sonne. In Naglimund essen sie süßen Rahm und trinken klares, leuchtendes Wasser.
    Die Sonne ist hell.
    Hell und heiß. Es ist heiß. Warum?
    Der feuchte Tunnel war plötzlich sehr warm. Simon stolperte weiter, überzeugt davon, dass es das erste Fieber des Spinnengiftes war, das er jetzt spürte. Er würde in der Dunkelheit sterben, der schrecklichen Dunkelheit. Nie wieder würde er die Sonne sehen, nie wieder ihr …
    Die Wärme schien sich in seine Lungen zu drängen. Es wurde tatsächlich heißer!
    Stickige Luft umfloss ihn, klebte ihm das Hemd an die Brust und die Haare an die Stirn. Einen Augenblick durchzuckte ihn noch größere Panik.
    Bin ich im Kreis gelaufen? Bin ich stundenlang weitergelaufen, nur um wieder vor den Ruinen von Morgenes’ Zimmer zu stehen, vor den verbrannten, schwarzverkohlten Resten seines Daseins ?
    Aber das war nicht möglich. Er war ständig abwärts gegangen und nie weiter nach oben gestiegen, höchstens einmal ein paar Schritte auf ebenem Grund gegangen. Warum war es dann so heiß?
    In ihm stieg unwiderstehlich die Erinnerung an eine von ShemPferdeknechts Geschichten auf, eine Erzählung vom jungen Priester Johan, der durch die Finsternis auf eine ungeheure brütende Hitze zuwanderte – auf den Drachen Shurakai in seiner Höhle unter der Burg … dieser Burg.
    Aber der Drache ist tot! Ich habe seine Knochen berührt, einen gelben Sessel im Thronsaal. Es gibt keinen Drachen mehr – kein schlafloses, tief atmendes rotes Ungetüm von der Größe des Turnierplatzes, das mit Klauen wie Schwertern und einer Seele, so alt wie die Steine von Osten Ard, in der Dunkelheit lauert – der Drache ist tot.
    Aber hatten Drachen denn keine Brüder? Und was war das für ein Geräusch? Dieses dumpfe, grollende Brüllen?
    Die Hitze war drückend, die Luft dick von beißendem Rauch. Simons Herz lag wie ein stumpfer Bleiklumpen in seiner Brust. Der Kristall begann zu verblassen, als breite Streifen rötlichen Lichts das schwächere Strahlen der Kugel auslöschten. Der Tunnel wurde flach, krümmte sich jetzt weder nach rechts noch nach links, sondern führte über eine lange, verwitterte Galerie zu einem gewölbten Türbogen hinunter, in dem ein flackernder, orangeroter Schein tanzte. Obwohl ihm der Schweiß das Gesicht hinunterlief, fing Simon an zu zittern. Die Tür zog ihn magisch an.
    Dreh dich um und lauf, Mondkalb!
    Er konnte nicht. Jeder Schritt kostete Mühe, aber er kam näher. Endlich hatte er den Bogen erreicht und steckte ängstlich den Kopf durch den Rahmen des Portals.
    Es war eine riesige Höhle, in zuckendes Licht getaucht. Die Felswände schienen geschmolzen zu sein und sich dann abgesetzt zu

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