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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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haben wie Wachs am Fuß einer Kerze, der Stein in langen, senkrechten Tropfrinnen geglättet. Simons vom Licht geblendete Augen weiteten sich vor Staunen: am anderen Ende der Höhle kniete über ein Dutzend schwarzer Gestalten vor der Gestalt … eines ungeheuren feuerspeienden Drachen!
    Gleich darauf erkannte er seinen Irrtum. Die Riesengestalt, die sich an die Steinwand duckte, war ein gewaltiger Ofen. Die schwarz gekleideten Figuren fütterten seinen flammenden Schlund mit Holzscheiten.
    Die Gießerei. Die Schmelzhütte der Burg!
    Überall in der Höhle waren dick vermummte und mit Tüchern maskierte Männer damit beschäftigt, Kriegsgerät zu schmieden. Schwere Eimer mit glühendem Flüssigeisen wurden an langen Stangen aus den Flammen gezogen. Geschmolzenes Metall sprang zischend in die Höhe, während es in die Gussformen rann, und über der stöhnenden Stimme des Hochofens hallte das Klingen der Hämmer auf den Ambossen.
    Simon schrak von der Tür zurück. Einen Herzschlag lang hatte er sich nach vorn springen und auf die Männer zustürzen sehen. Denn es waren Menschen, trotz ihrer sonderbaren Kleidung. In diesem kurzen Augenblick war es ihm vorgekommen, als gäbe es nichts Schlimmeres als den dunklen Tunnel und die Stimmen – aber Simon wusste es besser. Glaubte er denn wirklich, die Männer aus der Gießerei würden ihn entkommen lassen? Bestimmt kannten sie nur einen Weg aus der flammenden Höhle: nach oben, zurück in Pryrates’ Klauen – falls er das flammende Inferno in Morgenes’ Wohnung überhaupt überlebt hatte –, oder zu Elias’ brutaler Gerichtsbarkeit.
    Simon hockte sich hin, um seine Gedanken zu ordnen. Der Lärm des Ofens und sein eigener schmerzender Kopf machten es ihm schwer. Er konnte sich nicht erinnern, auf dem letzten Wegstück an Quertunneln vorbeigekommen zu sein. An der gegenüberliegenden Wand der Gießereihöhle war etwas zu erkennen, das wie eine Reihe von Löchern aussah; vielleicht lagen dort nur Lagerräume …
    Oder Verliese.
    …aber es erschien ebenso wahrscheinlich, dass noch andere Wege in diese Kammer hinein- und hinausführten. Jetzt wieder in den Tunnel zurückzukehren kam ihm töricht vor.
    Feigling! Küchenjunge!
    Wie betäubt schwankte er unentschieden auf schmalem Grat. Zurückgehen und durch dieselben dunklen, von Spinnen verpesteten Tunnel laufen, jetzt, da sein einziges Licht dem Verlöschen entgegenflackerte … oder sich einen Weg durch die brüllende Hölle der Gießereiebene suchen – und von dort wer weiß wohin? Wofür sollte er sich entscheiden?
    König der Unterwelt wird er sein, Herr der weinenden Schatten! Nein, sein Volk ist fort, lasst ihn in Ruhe!
    Er schlug sich kräftig auf den Schädel, um die schrecklichen Stimmen zu verscheuchen.
    Wenn ich schon sterben muss, beschloss Simon endlich und riss die Herrschaft über sein jagendes Herz wieder an sich, dann soll es wenigstens im Licht geschehen.
    Vorgebeugt, mit pochendem Kopf, starrte er auf den Schimmer der Kristallkugel in seiner hohlen Hand. Noch während er darauf schaute, erstarb das Licht, kehrte dann aber bebend zu unsicherem Leben zurück. Simon ließ die Kugel in die Tasche gleiten.
    Die Hochofenflamme und die dunklen Gestalten, die sich davor bewegten, warfen pulsierende Streifen in Rot, Orange und Schwarz an die Wand. Simon sprang aus dem Schutz der Dunkelheit hinaus und duckte sich neben die nach unten führende Rampe. Sein nächstes Versteck sollte ein schäbiges Gebilde aus Ziegeln sein, etwa fünfzehn oder zwanzig Ellen von der Stelle entfernt, an der er kauerte. Es war ein nicht mehr benutzter Brenn- oder Schmelzofen am äußersten Rand der Kammer. Simon holte ein paarmal tief Atem und hastete darauf zu, halb rennend, halb kriechend. Sein Kopf schmerzte von der Bewegung, und als er den massigen Ofen erreicht hatte, musste er erst einmal das Gesicht zwischen die Knie klemmen, bis die schwarzen Flecken verschwunden waren. Das rauhe Röhren des Hochofens hallte in seinem Kopf wie Donner und brachte mit seinem schmerzhaften Getöse selbst Simons Stimmen zum Verstummen.
    Von dunklem Fleck zu dunklem Fleck suchte er sich seinen Weg, kleine Inseln düsterer Sicherheit im Ozean aus Rauch und rotem Lärm. Die Gießereiarbeiter blickten nicht auf und entdeckten den Eindringling nicht; auch untereinander wechselten sie kaum ein Wort. Der ohrenbetäubende Krach beschränkte ihre Mitteilungen auf ausholende Gebärden, wie bei Gepanzerten im Chaos der Schlacht. Ihre Augen, reflektierende

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