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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Tales waren alle die weithin verstreuten Felder von Osten Ard zu sehen. Das Sonnenlicht durchbohrte den Himmel und fiel auf die Zinnen einer Burg und eine wunderschöne, schimmernde Turmspitze, das Einzige auf der Welt, das so hoch zu sein schien wie das schwarze Rad. Er blinzelte, erkannte etwas Vertrautes im aufstrebenden Umriss, aber gerade, als es deutlicher zu werden begann, rollte das Rad weiter, stieß ihn vom Gipfel herunter und zog ihn rasch wieder auf den tief unter ihm liegenden Boden hinunter.
    Er kämpfte gegen den Griff des Nagels an, zerrte an seinemHosenbein, um sich zu befreien. Aber irgendwie waren er und der Nagel eins, er konnte sich nicht losreißen. Der Boden sprang ihm entgegen. Simon und die jungfräuliche Erde, rasten mit einem Getöse wie von den Posaunen des Jüngsten Gerichts aufeinander zu. Er schlug auf – die beiden prallten zusammen –, und Wind und Licht und Musik erloschen wie eine Kerzenflamme.
    Plötzlich:
    Simon befand sich im Dunkeln, tief in der Erde, die sich vor ihm teilte wie Wasser. Ringsum ertönten Stimmen, langsame, zögernde Stimmen aus Mündern voller Staub.
    Wer tritt in unser Haus? Wer kommt, unseren Schlaf, unseren langen Schlaf zu stören? Sie wollen uns bestehlen! Die Diebe wollen uns unsere stillen, dunklen Betten nehmen. Sie wollen uns wieder nach oben schleppen, durch das Helle Tor …
    Als die klagenden Stimmen so riefen, fühlte Simon, wie Hände ihn umklammerten, Hände, kalt und trocken wie Gebein oder nass und weich wie Wurzeln, ausgestreckte, verschlungene Finger, die nach ihm griffen, um ihn an leere Brüste zu drücken … doch sie konnten ihn nicht halten. Das Rad rollte und rollte, mahlte ihn nach unten, immer weiter, bis die Stimmen hinter ihm erstarben und er durch eiskalte, schweigende Finsternis glitt.
    Finsternis …
    Wo bist du, Junge? Träumst du? Ich kann dich fast berühren.
    Es war Pryrates’ Stimme, die da plötzlich sprach, und er spürte das bösartige Gewicht der Gedanken des Alchimisten dahinter. Ich weiß jetzt, wer du bist – Morgenes’ Schüler, ein Küchenjunge, der sich in alles einmischt. Du hast Dinge gesehen, die nicht für dich bestimmt waren, Küchenjunge – du hast mit Dingen gespielt, die weit über dich hinausgehen. Du weißt viel zu viel. Ich werde dich suchen.
    Wo BIST du?
    Und dann die tiefere Dunkelheit, ein Schatten unter dem Schatten des Rades, und tief in diesem Schatten zwei rotglühende Augen, die aus einem Schädel starrten, der voller Flammen war.
    Nein, Sterblicher, sagte eine Stimme, und in Simons Kopf klang sie wie Asche und Erde und das stumme, unausgesprochene Ende aller Dinge. Nein, dieser ist nicht für dich. Die Augen loderten auf, voller Neugier und Vergnügen. Wir werden ihn nehmen, Priester.
    Simon fühlte, wie Pryrates’ Griff sich lockerte und die Macht des Alchimisten vor dem dunklen Wesen in sich zusammenfiel.
    Willkommen, sagte es. Hier ist das Haus des Sturmkönigs, jenseits des Dunkelsten Tores. – Wie … ist … dein … Name?
    Und die Augen sanken ein wie zerfallende Glut, und die Leere hinter ihnen brannte kälter als Eis, heißer als jedes Feuer … und war dunkler als alle Schatten …
    »Nein!« Simon dachte, er schrie es, aber auch sein Mund war voller Erde. »Ich sage ihn nicht!«
    »Vielleicht werden wir dir einen Namen geben … du musst einen Namen haben, kleine Fliege, kleines Staubkorn … damit wir dich erkennen, wenn wir dir begegnen … wir müssen dich zeichnen …«
    »Nein!« Er versuchte sich loszureißen, aber das Gewicht von tausend Jahren Erde und Stein lastete auf ihm. »Ich will keinen Namen! Ich will keinen Namen! Ich will keinen … Namen von dir!«
    Noch während sein Schrei durch die Bäume gellte, war Binabik bei ihm, aufrichtige Bestürzung im Gesicht. Das schwache Licht der Morgensonne, ohne Ursprung und Richtung, erfüllte die Lichtung.
    »Einen Verrückten und einen dem Tode Nahen habe ich schon zu pflegen«, bemerkte Binabik, als Simon sich aufsetzte, »und nun musst du auch noch anfangen, im Schlaf zu schreien?« Der Troll hatte einen Scherz machen wollen, aber der Morgen war zu kalt und dünn für den Versuch. Simon zitterte am ganzen Leib.
    »Ach, Binabik, ich …« Er fühlte, wie ein bebendes, unsicheres Lächeln auf sein Gesicht trat, erzwungen von der einfachen Tatsache, dass er sich im Licht befand, über der Erde. »Ich hatte einen ganz, ganz schrecklichen Traum.«
    »Das überrascht mich nicht weiter«, erwiderte der Troll und drückte Simons

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