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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schulter. »Ein schrecklicher Tag wie gestern führt nicht zufällig zu einem weniger als ruhigen Schlaf.«
    Der kleine Mann richtete sich auf. »Wenn du willst, sei willkommen, dir in meinem Rucksack etwas zu essen zu suchen. Ich bin mit dem Pflegen der beiden Mönche beschäftigt.« Er wies auf die dunklen Gestalten auf der anderen Seite des Lagerfeuers. Der ihm näher liegende, den Simon für Langrian hielt, war in einen dunkelgrünen Mantel gewickelt.
    »Wo ist …«, nach ein paar Sekunden erinnerte Simon sich an den Namen, »… Hengfisk?« Sein Kopf dröhnte, und sein Kiefer schmerzte, als hätte er mit den Zähnen Nüsse geknackt.
    »Der unangenehme Rimmersmann – der, man muss es der Gerechtigkeit wegen erwähnen, immerhin seinen Mantel gegeben hat, um Langrian zu wärmen – ist fortgegangen, um in seinem verwüsteten Heim nach Nahrung und Ähnlichem zu suchen. Ich muss nun wieder zu meinen Pfleglingen, Simon – sofern du dich besser fühlst?«
    »Ja, natürlich. Wie geht es ihnen?«
    »Langrian, kann ich mit Vergnügen erwähnen, geht es wesentlich besser.« Binabik zeigte ein kleines befriedigtes Nicken. »Er hat eine recht lange Zeit friedlich geschlafen – etwas, das du von dir nicht behaupten kannst, hmmm?« Der Troll lächelte. »Bruder Dochais ist bedauerlicherweise meiner Hilfe nicht zugänglich, aber er ist außer in seinen schrecklichen Gedanken nicht krank. Auch ihm habe ich etwas gegeben, das ihm schlafen hilft. Nun aber vergib mir, denn ich muss nach Bruder Langrians Verband sehen.«
    Binabik stand auf und stapfte um die Feuergrube herum, wobei er über Qantaqa hinwegstieg, die schlafend neben den warmen Steinen lag. Simon hatte ihren Rücken zunächst auch für einen großen Stein gehalten.
    Der Wind befühlte mit sanften Fingern die Blätter der Eiche über seinem Kopf, als Simon Binabiks Rucksack durchsuchte. Er holte ein kleines Säckchen heraus, das sich anfühlte, als könne Frühstück darin sein; aber noch bevor er es öffnete, verriet ihm ein klapperndes Geräusch, dass es die seltsamen Knochen enthielt, die er schon gesehen hatte. Weitere Forschungen förderten geräuchertes Dörrfleisch zutage, das in ein grobes Tuch gewickelt war. Kaum aber hatte Simon das Päckchen geöffnet, als ihm klar wurde, dass irgendeine Art Essen in seinen rebellierenden Magen zu stopfen das Letzte war, was dieser jetzt wollte.
    »Gibt es noch irgendwo Wasser, Binabik? Wo ist dein Schlauch?«
    »Besser, Simon!«, rief ihm der über Bruder Langrian gebeugte Troll zu. »Es ist ein Bach da, nur ein kurzes Stück dort hinunter.«
    Er deutete vage in eine bestimmte Richtung, griff dann nachunten und warf Simon den Schlauch zu. »Diesen zu füllen wird mir hilfreich sein.«
    Als Simon den Schlauch aufhob, sah er daneben seine beiden Bündel liegen. Spontan griff er nach dem in Lumpen gewickelten Manuskript und nahm es mit, als er sich auf den Weg zum Bach machte.
    Der kleine Bach floss träge und war an seinen Wirbeln mit Zweigen und Blättern verstopft. Simon musste erst eine Stelle davon befreien, bevor er sich bücken und mit den Händen Wasser schöpfen konnte, um es sich ins Gesicht zu spritzen. Er schrubbte sich kräftig mit den Fingern – es kam ihm vor, als seien Rauch und Blut der verwüsteten Abtei in alle Poren und Falten eingedrungen. Danach trank er ein paar tiefe Züge und füllte Binabiks Schlauch.
    Er setzte sich ans Ufer und dachte über den Traum nach, der, seitdem er aufgestanden war, wie ein feuchter Nebel über seinen Gedanken hing. Wie Bruder Dochais’ wirre Worte am Abend zuvor hatte der Traum dunkle Schatten in Simons Herz gelegt, aber das Tageslicht war bereits im Begriff, sie zu verscheuchen wie ruhelose Geister, und nur ein Rest von Furcht blieb zurück. Das Einzige, woran er sich erinnerte, war das große, schwere Rad, das auf ihn heruntergerollt war. Alles andere war verschwunden und hatte in seinem Gehirn schwarze, leere Flecken zurückgelassen, Türen des Vergessens, die er nicht öffnen konnte.
    Dennoch wusste er, dass er in etwas hineingeraten war, das mehr war als nur das Ringen königlicher Brüder – wichtiger auch als der Tod jenes guten alten Doktors Morgenes oder die Abschlachtung von zwanzig heiligen Männern. Sie alle waren nur kleine Wirbel in einer größeren, tieferen Strömung – oder Kleinigkeiten, zerquetscht von der achtlosen Umdrehung eines mächtigen Rades. Simons Verstand reichte nicht aus, die Bedeutung all dieser Dinge zu fassen, und je mehr er darüber

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