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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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herunterblicken sehen, und Fackeln und Äxte gleich daneben. Dein Usires Ädon hat diesen Hass nicht erfolgreich aus seinem nördlichen Herzen herausgebrannt.« Der Troll schnalzte Qantaqa zu, ihm zu folgen, und ging dem steifrückigen Priester nach.
    »Aber hör dir doch selber zu!«, sagte Simon und hielt Binabiks Blick fest. »Du bist ja auch voller Hass.«
    »Ah.« Der Troll hob einen Finger vor sein jetzt ausdrucksloses Gesicht. »Aber ich behaupte auch nicht, dass ich an deinen – verzeih den Ausdruck – Kopfüber-Gott der Barmherzigkeit glaube.«
    Simon holte Luft, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann aber.
    Bruder Hengfisk drehte sich nur einmal um und nahmschweigend ihre Anwesenheit zur Kenntnis. Eine ganze Weile sagte er nichts. Das Licht, das durch das Laub sickerte, nahm schnell ab; schon bald war Hengfisks eckige, schwarzgewandete Gestalt kaum mehr als ein Schatten, der sich vor ihnen herbewegte. Simon war verblüfft, als er sich endlich umwandte und sagte: »Hier.« Der Mönch führte sie um das Ende eines großen umgestürzten Baumes herum, dessen freiliegende Wurzeln mehr als allem anderen einem gewaltigen Besen ähnelten – einem Besen, der die Einbildungskraft von Rachel dem Drachen zu heroischen, legendären Heldentaten angefeuert hätte.
    Simons beiläufiger Gedanke an Rachel, dazu die Erlebnisse dieses Tages, brachten ihm einen so heftigen Anfall von Heimweh ein, dass er strauchelte und sich mit der Hand an der schuppigen Borke des gefallenen Baumes abstützte. Hengfisk kniete nieder und warf Äste auf ein kleines Feuer, das in einer flachen Grube glühte. Am Feuer lagen, jeder auf einer Seite von der umgestürzten Länge des Baumes geschützt, zwei Männer.
    »Das ist Langrian«, erläuterte Bruder Hengfisk und deutete auf den rechten, dessen Gesicht weitgehend mit einem aus Sackleinen hergestellten, blutigen Verband bedeckt war. »Ihn fand ich als einzigen Überlebenden in der Abtei, als ich zurückkam. Ich glaube, Ädon wird ihn bald wieder zu sich nehmen.« Selbst in dem schwächer werdenden Licht konnte Simon feststellen, dass Bruder Langrians Haut, soweit sie noch sichtbar war, fahl und wächsern wirkte. Hengfisk warf noch einen Stock aufs Feuer. Binabik, ohne dem Rimmersmann ein einziges Mal in die Augen zu sehen, kniete neben dem Verwundeten nieder und begann ihn mit behutsamen Fingern zu untersuchen.
    »Der dort ist Dochais.« Hengfisk zeigte auf den anderen Mann, der ebenso kraftlos wie Langrian dalag, jedoch keine äußeren Verletzungen zeigte. »Er war es, den ich suchen gegangen war, als er von seiner Vigilie nicht zurückkehrte. Als ich ihn nach Hause brachte – ihn trug –«, bitterer Stolz lag in Hengfisks Stimme, »fand ich bei meiner Heimkehr alle … alle tot.« Er schlug das Zeichen des Baumes über seiner Brust. »Alle außer Langrian.«
    Simon setzte sich zu Bruder Dochais, einem dünnen, jungen Mannmit langer Nase und den blauen Kinnstoppeln der Hernystiri. »Was ist ihm geschehen? Was fehlt ihm?«
    »Ich weiß es nicht, Junge«, antwortete Hengfisk. »Er ist wahnsinnig. Er hat sich irgendein Gehirnfieber zugezogen.« Der Mönch machte sich wieder auf die Suche nach Feuerholz.
    Simon beobachtete Dochais eine Weile, bemerkte das mühsame Atmen und das leichte Beben der Augenlider. Als er sich umdrehte, um nach Binabik zu sehen, der gerade vorsichtig den Verband von Langrians Kopf abwickelte, schoss wie eine Schlange aus dem schwarzen Gewand vor ihm eine Hand hervor und packte ihn mit erschreckend kraftvollem Griff vorn am Hemd.
    Dochais, noch immer mit geschlossenen Augen, hatte sich ganz steif gemacht und den Rücken derart gekrümmt, dass seine Mitte sich vom Boden hob. Sein Kopf war zurückgeworfen und wackelte ruckartig hin und her.
    »Binabik!«, schrie Simon, außer sich vor Entsetzen. »Er … er ist …«
    »Aaah!« Die Stimme, die sich Dochais’ gepresster Kehle entrang, war rauh vor Qual. »Der schwarze Wagen! Seht, er kommt mich holen!« Wieder schlug er um sich wie ein Fisch an Land, und bei seinen Worten fühlte Simon einen Schauder neu erwachenden Grauens.
    Der Berggipfel … ich erinnere mich … und das Knarren schwarzer Räder … o Morgenes, was tue ich hier?
    Eine Sekunde später, während Binabik und Hengfisk noch verwirrt von der anderen Seite der Feuergrube herüberstarrten, hatte Dochais Simon zu sich herangezogen, bis das Gesicht des Jungen die vor Furcht verzerrten Züge des Hernystiri fast berührte.
    »Sie holen mich zurück!«, zischte

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