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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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aussuchte, sein eigentliches Wesen erkannte und wie man es, Span um Span, aus der Maserung herausarbeitete. Wenn Isgrimnur Frekke bei seiner Beschäftigung zusah – die Augen fast geschlossen, die narbigen Lippen zu einem unbewussten Lächeln verzogen –, dann waren ihm die Dämonen und Fische und all die anderen Tiere, die unter Frekkes Messer lebendig wurden, als unvermeidliche Antworten auf die Fragen der Welt erschienen – auf wirre Fragen in der zufälligen Gestalt eines Baumastes, eines Felsens oder einer launischen Regenwolke.
    An seinem verletzten Daumen lutschend, gingen dem Herzog die verschiedensten Gedanken durch den Kopf, denn trotz aller Behauptungen Frekkes fand es Isgrimnur verdammt schwer, beimSchnitzen überhaupt an etwas anderes zu denken: Messer und Welt schienen einander feindlich gegenüberzustehen, in einem Schlachtgetümmel, das jeden Augenblick seiner Wachsamkeit entgleiten und zur Tragödie werden konnte.
    So wie jetzt, dachte er, sog und schmeckte Blut.
    Isgrimnur schob das Messer in die Scheide und stand auf. Ringsum waren seine Männer fleißig bei der Arbeit, nahmen ein paar Kaninchen aus, versorgten das Feuer, bereiteten das Lager für den Abend. Er ging auf das lodernde Feuer zu, drehte sich um und blieb so stehen, die breite Kehrseite den Flammen zugewandt. Gedanken an Gewitterregen kamen ihm wieder in den Sinn, als er zu dem rasch grauer werdenden Himmel aufblickte.
    Da haben wir nun Maiamonat, und wir hocken hier, keine sechzig Meilen nördlich von Erchester … und woher ist vorhin dieser verdammte Wolkenbruch gekommen?
    Um diese Zeit, vor etwa drei Stunden, waren Isgrimnur und seine Schar den Räubern, die sie in der Abtei überfallen hatten, hart auf den Fersen gewesen. Der Herzog hatte noch immer keine Ahnung, woher die Männer gekommen waren – einige davon schienen Landsleute gewesen zu sein, aber er hatte kein vertrautes Gesicht erkannt – oder warum sie so gehandelt hatten. Der Anführer war ein Mann mit einem Helm in der Form eines knurrenden Hundegesichts gewesen, aber Isgrimnur hatte nie von einem solchen Wappenzeichen gehört. Er wäre vielleicht gar nicht mehr am Leben, um darüber nachzugrübeln, wenn nicht der schwarz gekleidete Mönch, der gleich darauf mit einem Pfeil zwischen den Schulterblättern hingestürzt war, vor den Toren Sankt Hoderunds eine Warnung geschrien hätte. Es hatte einen verbissenen Kampf gegeben, aber der Tod des Mönches – mochte Gott ihm gnädig sein, wer immer er gewesen war – hatte sie aufmerken lassen, und die Männer des Herzogs waren auf den Angriff vorbereitet gewesen. Beim ersten Ansturm hatten sie nur den jungen Hove verloren; Einskaldir war verwundet worden, hatte aber dennoch seinen Mann getötet und einen zweiten dazu. Der Feind war nicht auf einen ehrlichen Kampf aus gewesen, dachte Isgrimnur säuerlich; angesichts Isgrimnurs und seiner Leibwache, alles Kämpfer, die nach Monaten in der Burg nur zu begierigwaren, wieder einmal loszuschlagen, waren die Gegner, die sie aus dem Hinterhalt hatten niedermetzeln wollen, über den Klosteranger zu den Ställen geflohen, wo ihre gesattelten Pferde offenbar schon auf sie warteten.
    Nach einer kurzen Durchmusterung des Klosters, bei der die Rimmersmänner keinen der Mönche mehr lebend vorfanden, waren sie wieder in den Sattel gestiegen und den anderen gefolgt. Es wäre vielleicht klüger gewesen, zu bleiben und Hove und die Hoderundianer zu begraben, aber Isgrimnurs Blut kochte. Er wollte wissen, wer ihnen nach dem Leben trachtete, und er wollte wissen, warum.
    Aber es sollte nicht sein. Die Räuber hatten einen guten Vorsprung, und ihre Pferde waren frisch. Die Männer des Herzogs hatten sie nur einmal zu Gesicht bekommen, einen fließenden Schatten, der sich vom Rebenhügel in die Ebene hinunterzog und durch die flachen Hügel auf die Weldhelmstraße zubewegte. Der Anblick hatte Isgrimnurs Truppen neu belebt, und sie hatten die Pferde den Hang hinab und in die Täler der Vorberge des Weldhelms gejagt. Ihre Reittiere schienen von der Erregung angesteckt und griffen auf letzte Kraftreserven zurück; eine kleine Weile hatte es ausgesehen, als könnten sie die Wegelagerer einholen und von hinten über sie kommen wie eine rächende Wolke, die über die Ebene zieht.
    Stattdessen hatte sich etwas Seltsames ereignet. Eben noch waren sie bei Sonnenschein dahingaloppiert, als sich auf einmal die Welt merklich verdunkelte. Als sich daran nichts änderte und eine halbe Meile weiter die Hügel

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