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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ich sollte mich noch einmal in der Halle für Reisende umsehen, wo die mörderischen Fremden geschlafen haben. Vielleicht findet sich dort ein Gegenstand, der uns etwas über sie erzählt. Warte hier auf mich, hmmm?«
    Simon nickte, und Binabik ging.
    Das Buch war, wie Simon vermutet hatte, ein Buch Ädon, wenngleich es für einen armen Mönch sehr kostbar und fein gearbeitet war; es musste das Geschenk eines wohlhabenden Verwandten gewesen sein. Der Band selbst enthielt nichts Besonderes – obwohl die Bilder ungewöhnlich hübsch waren, soweit Simon das im schwindenden Licht erkennen konnte –, mit einer Ausnahme, die seine Aufmerksamkeit erregte. Auf der ersten Seite, auf die viele Leute ihren Namen oder, falls das Buch als Geschenk gedacht war, ein Grußwort zu setzen pflegten, stand ein Satz, sorgfältig, aber mit zittriger Hand geschrieben:
    Ein güldener Dolch durchbohrt mein Herz;
    das ist Gott.
    Gottes Herz durchbohrt eine güldene Nadel;
    das bin ich.
    Simon saß da und betrachtete diese Worte, und seine gerade erst neu gewonnene Entschlusskraft wurde auf eine harte Probe gestellt. Er fühlte eine Woge, die ihn fortschwemmte, eine alles niederreißende Flutwelle von Reue und Furcht und ein Gefühl von Dingen, die er nicht sah und die ihm doch davonglitten und ihm dabei das Herz brachen. Mitten in seinem mit weit offenen Augen geträumten Traum steckte Binabik den Kopf durch die Tür und warf ihm mit dumpfem Aufprall ein paar Stiefel vor die Füße. Simon schaute nicht auf.
    »Viele interessante Dinge finden sich dort in der Halle für Reisende, nicht das Geringste davon sind deine neuen Stiefel. Aber das Dunkel kommt, und ich kann nur noch einen Augenblick dort verweilen. Triff mich vor dieser Halle hier, bald.« Und fort war er wieder.
    Lange, schweigende Minuten vergingen, nachdem der Troll sich entfernt hatte. Simon legte das Buch hin – er hatte es eigentlich mitnehmen wollen, aber seine Meinung wieder geändert – und versuchte die Stiefel anzuziehen. Bei anderer Gelegenheit hätte er sich gefreut, wie gut sie passten, jetzt aber ließ er lediglich seine zerfetzten Schuhe auf dem Boden liegen und ging die Halle hinunter zur Vordertür.
    Das gedämpfte Licht des Abends hatte sich niedergesenkt. Auf der anderen Seite des Angers stand die Halle für Reisende, der Zwilling des Gebäudes, das er gerade verlassen hatte. Aus irgendeinem Grunde erfüllte ihn der Anblick der gegenüberliegenden Tür, die träge hin- und herschwang, mit unbestimmter Furcht. Wo war der Troll?
    Gerade als ihm das schwingende Tor zur Koppel einfiel, das das erste Anzeichen dafür gewesen war, dass in der Abtei nicht alles zum Besten stand, packte ihn zu seinem Entsetzen eine grobe Hand an der Schulter und zerrte ihn rückwärts.
    »Binabik!«, konnte er eben noch rufen, dann legte sich eine dicke Handfläche auf seinen Mund, und er wurde an einen felsharten Körper gepresst.
    »Vawer es do kunde?« , grollte eine Stimme an seinem Ohr in den steinernen Lauten von Rimmersgard.
    »Im tosdten-grukker!« , höhnte eine andere.
    In blinder Panik öffnete Simon hinter der verdeckenden Hand die Lippen und biss zu. Ein schmerzliches Grunzen, und eine Sekunde lang war sein Mund frei.
    »Hilfe! Binabik!«, kreischte er, dann legte sich die Hand, diesmal mit schmerzhaftem Druck, wieder auf ihn, und gleich danach spürte er einen schwarzen Schlag hinter dem Ohr.
    Er konnte das Echo seines Aufschreis noch verhallen hören, als die Welt vor seinen Augen zu Wasser wurde. Die Tür der Halle für Reisende schwang im Wind hin und her, und Binabik kam nicht.

21
Schwacher Trost

    erzog Isgrimnur von Elvritshalla hatte ein wenig zu stark auf die Klinge gedrückt. Das Messer sprang vom Holz ab und traf ihn in den Daumen. Gerade unter dem Knöchel erschien ein Streifen Blut. Isgrimnur stieß einen wilden Fluch aus, ließ das Stück Kernholz zu Boden fallen und begann an der Wunde zu saugen.
    Frekke hat recht, dachte er, zum Teufel mit ihm. Ich lerne das nie. Ich weiß noch nicht einmal, warum ich es versuche.
    Er wusste es natürlich doch; er hatte den alten Frekke überredet, ihm die Anfangsgründe des Schnitzens beizubringen, solange er auf dem Hochhorst so gut wie gefangen saß. Alles, so hatte er sich überlegt, war besser, als durch die Gänge und über die Zinnen der Burg zu schleichen wie ein in Ketten gelegter Bär.
    Der alte Soldat, schon unter Isbeorn, dem Vater des Herzogs, im Dienst, hatte Isgrimnur geduldig gezeigt, wie man das Holz

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