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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ringsum immer noch leblos und grau waren, hatte Isgrimnur nach oben geblickt und über sich am Himmel einen Knoten stahlgrauer, wirbelnder Wolken gesehen, eine Schattenfaust vor der Sonne. Ein unbestimmtes, grollendes Krachen, und plötzlich schüttete der Himmel Regen über sie aus – zuerst plätschernd, dann in Sturzbächen.
    »Woher kam das?«, hatte Einskaldir zu ihm herübergerufen; zwischen ihnen ging ein dichter Vorhang aus zischendem Regen nieder. Isgrimnur wusste es nicht, war jedoch äußerst beunruhigt – noch nie hatte er an einem so verhältnismäßig klaren Himmel derart schnell ein Gewitter heraufziehen sehen. Als einen Augenblick später ein Pferd auf dem nassen, verfilzten Gras ausgerutscht und gestolpertwar und seinen Reiter abgeworfen hatte – der, Ädon sei Dank, ohne Schaden zu nehmen gelandet war –, hatte Isgrimnur die Stimme erhoben und seinen Männern zugebrüllt, haltzumachen.
    So kam es, dass sie sich entschlossen hatten, ihr Lager an dieser Stelle aufzuschlagen, nur etwa eine Meile von der Weldhelmstraße entfernt. Der Herzog hatte kurz erwogen, zur Abtei zurückzureiten, aber Menschen und Pferde waren müde, und das Feuer, das bei ihrem Abzug aus den Hauptgebäuden gelodert hatte, ließ vermuten, dass nicht mehr viel da sein würde, zu dem man zurückkehren konnte. Nur der verwundete Einskaldir, der – was Isgrimnur freilich besser wusste – manchmal keinerlei Gefühle außer einer allumfassenden Wildheit zu besitzen schien, war noch einmal losgeritten, um Hoves Leichnam zu holen und alles von dort mitzubringen, was einen Hinweis auf die Identität oder die Beweggründe der Angreifer geben konnte. Der Herzog, der Einskaldir und seine Art kannte, hatte rasch eingewilligt und nur verlangt, dass er Sludig mitnehmen müsse, der nicht ganz so ein Feuerkopf war. Sludig war ein ausgezeichneter Kämpfer, schätzte aber trotzdem die eigene Haut hoch genug ein, um ein Gegengewicht zu dem leicht entflammbaren Einskaldir zu bilden.
    Und hier stehe ich nun, dachte Isgrimnur müde und angewidert, und röste mir den Arsch am Lagerfeuer, während die jungen Kerle die Arbeit tun. Verflucht sei das Alter, verflucht mein schmerzender Rücken, verflucht Elias, verflucht diese elenden Zeiten ! Er sah auf die Erde hinunter, bückte sich und hob das Stück Holz wieder auf, das dort lag und von dem er gehofft hatte, irgendein Wunder würde ihm helfen, es in einen Baum zu verwandeln, den seine Frau Gutrun auf der Brust tragen könnte, wenn er zu ihr zurückkehrte. Und verflucht sei das Schnitzen! Er übergab das Holzstück den Flammen.
    Isgrimnur war gerade dabei, Kaninchenknochen ins Feuer zu werfen – er fühlte sich jetzt ein wenig besser, weil er gegessen hatte –, als plötzlich Hufschläge herandonnerten. Der Herzog ließ die Hände sinken, um sich das Fett an seiner Cotte abzuwischen, und seine Lehnsmänner taten das Gleiche, denn eine schlüpfrige Hand an der Axt oder am Schwert war gefährlich. Es klang nach einer ganz kleinen Reiterschar,höchstens zwei oder drei, aber trotzdem entspannte sich keiner der Männer, bevor Einskaldir und sein weißes Ross klar aus der Dämmerung hervortraten. Sludig ritt gleich hinterher und führte ein drittes Pferd, über dessen Sattel etwas hing … zwei Körper.
    Zwei Körper, aber, wie Einskaldir auf seine knappe Art erklärte, nur eine Leiche.
    »Ein Junge«, grunzte Einskaldir, dessen dunkler Bart bereits von Kaninchenfett glänzte. »Fand ihn beim Herumschnüffeln. Dachte, wir sollten ihn mitbringen.«
    »Warum?«, brummte Isgrimnur. »Sieht nach nichts anderem als einem Leichenfledderer aus.«
    Einskaldir zuckte die Achseln. Sein Begleiter, der blondhaarige Sludig, grinste: Seine Idee war es nicht gewesen.
    »Keine Häuser in der Nähe. In der Abtei haben wir keinen Jungen gesehen. Woher ist er gekommen?« Einskaldir schnitt sich mit dem Messer ein weiteres Stück ab. »Als wir ihn packten, schrie er nach jemandem. Klang wie ›Bennah‹ oder ›Binnock‹, kann’s nicht genau sagen.«
    Isgrimnur wandte sich ab, um einen kurzen Blick auf Hoves Leichnam zu werfen, den man auf einen Mantel gebettet hatte. Er war ein Verwandter gewesen, Vetter der Frau seines Sohnes Isorn – kein naher Verwandter, aber nach den Bräuchen des kalten Nordens nahe genug für Isgrimnur, um einen schmerzhaften Stich von Reue zu empfinden, als er auf das schneeblasse Gesicht des jungen Mannes mit dem dünnen gelben Bart starrte.
    Dann drehte er sich zu dem Gefangenen um, der noch

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