Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Pfeile hervor. Als die Neuankömmlinge durch das Tor ritten, hatten auch sie die Schwerter gezückt … sie hatten wohl Scenesefas Warnung gehört und gesehen, wie er im Torbogen niedergeschossen wurde.
    Ich weiß nicht, was dann geschah … der Wahnsinn herrschte. Einer warf eine Fackel auf das Kapellendach, und es fing Feuer. Ich rannte nach Wasser … die Menschen schrien, und die Pferde schrien und … etwas traf mich am Kopf. Das ist alles.«
    »Also weißt du nicht, wer zu diesen beiden kämpfenden Gruppen gehörte?«, wollte Binabik wissen. »Kämpften sie gegeneinander, oder waren sie Verbündete?«
    Langrian nickte ernst. »Gegeneinander. Die im Hinterhalt hatten weit größere Schwierigkeiten mit ihnen als mit uns unbewaffneten Mönchen. Das ist alles, was ich sagen kann – alles, was ich weiß.«
    »Verbrennen sollen sie!«, zischte Bruder Hengfisk.
    »Das werden sie.« Bruder Langrian seufzte. »Ich glaube, ich muss jetzt wieder schlafen.« Er schloss die Augen, aber sein Atem veränderte sich nicht.
    Binabik richtete sich auf. »Ich denke, ich werde ein kleines Stück zu Fuß gehen«, erklärte er. Simon nickte. » Ninit, Qantaqa«, rief er,und die Wölfin sprang auf, streckte sich und folgte ihm. Gleich darauf war er im Wald verschwunden und ließ Simon mit den drei Mönchen zurück, von denen zwei lebten und einer tot war.
    Die Trauerfeier für Dochais war kurz und knapp. Hengfisk hatte in den Ruinen der Abtei ein Leichentuch gefunden. Sie wickelten es um Dochais’ mageren Körper und ließen ihn in ein Loch hinunter, das die drei Gesunden auf dem Friedhof des Klosters gegraben hatten, während Langrian, von Qantaqa bewacht, im Wald schlief. Das Graben war harte Arbeit gewesen, denn das Feuer in der großen Scheune hatte die Holzgriffe der Schaufeln verzehrt und nur die Metallteile übrig gelassen, die man nun mit der Hand führen musste – eine mühsame, schweißtreibende Beschäftigung. Als Bruder Hengfisk seine leidenschaftlichen Gebete, gepaart mit Verheißungen göttlicher Gerechtigkeit, beendet hatte – wobei er in seinem heiligen Eifer anscheinend vergaß, dass Dochais zu der Zeit, als die Mörder ihr Werk verrichteten, weit von der Abtei entfernt gewesen war –, hatte sich die Sonne bis auf einen hellen Streifen über dem Kamm des Rebenhügels verabschiedet, und das Gras des Kirchhofs war dunkel und kühl. Binabik und Simon ließen Hengfisk zurück, der, die Glotzaugen im Gebet fest zugekniffen, am Grab kauerte, und machten sich daran, das Abteigelände auf Brauchbares zu untersuchen und zu erkunden.
    Obwohl der Troll sorgfältig darauf achtete, den Schauplatz der Tragödie so weit wie möglich zu umgehen, waren die Zeugen doch so verstreut, dass Simon schon bald zu wünschen begann, er wäre ins Lager zurückgekehrt, um dort mit Langrian und Qantaqa zu warten. Ein zweiter heißer Tag hatte nicht dazu beigetragen, den Zustand der Leichen zu verbessern: In ihrer aufgeblähten, geschwollenen Rosigkeit stellte Simon eine unangenehme Ähnlichkeit mit dem gebratenen Schwein fest, das zu Hause am Liebfrauentag die Tafel gekrönt hatte. Ein Teil von ihm verachtete diese Schwäche – hatte er nicht in wenigen kurzen Wochen schon gewaltsamen Tod genug gesehen, ein ganzes Schlachtfeld voll? Aber während er weiterging und dabei versuchte, die Augen geradeaus zu richten und den Anblick anderer Augen, glasig und rissig von der Sonne, zu vermeiden, begriff er, dass zumindest für ihn niemals ein Tod demanderen gleichen würde, auch wenn er ein noch so erfahrener Beobachter werden sollte. Jeder einzelne dieser zerstörten Säcke aus Knochen und Bries war einmal ein Leben gewesen, ein klopfendes Herz, eine Stimme, die klagte oder lachte oder sang.
    Eines Tages wird es mir auch so gehen , dachte er, als sie sich einen Weg um die Seite der Kapelle herum suchten, und wer wird sich dann an mich erinnern? Simon konnte keine schnelle Antwort darauf finden, und der Anblick des kleinen Feldes von Grabsteinen, deren Ordnung die überall umherliegenden Leiber erschlagener Mönche so grausam verhöhnten, bot ihm wenig Trost.
    Binabik hatte die verkohlten Überreste der Seitentür der Kapelle gefunden. Stücke unversehrten Holzes schimmerten durch die kohlschwarze Oberfläche wie Streifen frischgeputzten Messings auf einer alten Lampe. Der Troll stocherte an der Tür herum und klopfte verbrannte Bruchstücke herunter, aber der Bau selbst hielt. Er stieß kräftiger mit dem Stock dagegen, aber die Tür blieb

Weitere Kostenlose Bücher