Der Drachenbeinthron
Troll dann mit dem Bauch nach unten auf den Rücken der folgsamen Wölfin. Mit den letzten Streifen zerfetzter Kleidung aus dem Rucksack banden sie ihn dort fest. Simon erinnerte sich vonseinem unfreiwilligen Ritt in Herzog Isgrimnurs Lager an die Haltung, aber er wusste auch, dass der kleine Mann mit dem dicken Mantel zwischen sich und dem Wolfsrücken wenigstens atmen können würde. Simon wusste, dass die Lage für einen verletzten, wahrscheinlich sterbenden Troll nicht gerade günstig war, aber was konnten sie sonst tun? Marya hatte recht: Um bergauf zu klettern, brauchte er seine Hände.
Nachdem sich Qantaqas anfängliche Unruhe gelegt hatte, stand sie geduldig da, während Junge und Mädchen den Troll auf ihr festzurrten. Nur ab und zu drehte sie sich um und wollte Binabiks Gesicht, das an ihrer Flanke auf- und abschwankte, beschnüffeln. Als sie aber fertig waren und weiter den Hang hinaufstiegen, suchte die Wölfin sich ihren Weg ganz vorsichtig, als wüsste sie, wie wichtig ein sanfter Ritt für ihre schweigende Last wäre.
Jetzt kamen sie besser vorwärts. Sie kletterten über Steine und uralte Stämme, von denen sich die Rinde in langen Streifen ablöste. Der helle, wolkengetrübte Sonnenball, der durch die Äste spähte, war weit auf seinem Weg nach Westen fortgeschritten. Simon stapfte vor sich hin, vor seinen vor Schweiß brennenden Augen wie eine Rauchfahne den grauweißen Schwanz der Wölfin, und fragte sich, wo die Dunkelheit sie überraschen und was sie wohl in dieser Dunkelheit überraschen würde.
Der Anstieg war immer steiler geworden, und sowohl Simon als auch Marya spürten die zahllosen Kratzspuren des erdrückenden Unterholzes auf ihrer Haut, als sie endlich auf eine offene, waagerecht laufende Falte der Bergwand zustolperten. Dankbar setzten sie sich mitten auf den Pfad. Qantaqa sah aus, als hätte sie nichts dagegen, den schmalen, grasüberwucherten Weg noch ein Stück weiter hinauf zu erkunden, ließ sich dann aber doch mit heraushängender Zunge neben ihnen nieder. Simon befreite den Troll und Qantaqa aus dem behelfsmäßigen Geschirr; der Zustand des kleinen Mannes schien unverändert. Sein Atem ging immer noch erschreckend flach. Simon tropfte ihm aus dem Schlauch Wasser in den Mund und reichte dann Marya den Behälter. Als sie fertig war, hielt er die hohlen Hände aneinander, Marya füllte sie, und er ließ Qantaqa daraustrinken. Danach nahm auch er ein paar tiefe Schlucke aus dem Schlauch.
»Glaubst du, dass wir auf der Steige sind?«, fragte Marya und fuhr sich mit den Händen durch das feuchte, schwarze Haar. Simon lächelte matt. War das nicht typisch Mädchen, sich mitten im Wald das Haar zu richten? Sie war tief errötet, und er sah, dass die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken dadurch deutlich hervortraten.
»Es sieht eher wie ein Hirschpfad oder so etwas aus«, antwortete er endlich und wandte seine Aufmerksamkeit der Stelle zu, an der sich der Pfad an der Flanke des Berges verlor. »Ich denke, die Steige ist etwas von den Sithi, wie Geloë gesagt hat. Aber vielleicht können wir diesem Weg doch eine Weile folgen.«
Sie ist eigentlich gar nicht so dünn, nicht wirklich, dachte Simon. Mehr das, was man zart nennt. Er erinnerte sich, wie sie in die Höhe gegriffen und die überhängenden Äste abgerissen hatte, und an ihre rauhen Fluss-Shantys. Nein, vielleicht war zart auch nicht ganz das richtige Wort.
»Dann wollen wir lieber weiter«, unterbrach Marya sein Sinnen. »Ich bin hungrig, aber ich möchte lieber nicht hier draußen im offenen Gelände sein, wenn die Sonne untergeht.«
Sie erhob sich und fing an, die Stoffstreifen zusammenzusuchen, um Binabik wieder auf seinem Reittier zu befestigen, das seinerseits die letzten Augenblicke ungebundener Freiheit dazu benutzte, sich hinter dem Ohr zu kratzen.
»Ich hab dich gern, Marya«, platzte Simon heraus und wollte sich dann umdrehen, wegrennen, irgendetwas tun. Stattdessen blieb er tapfer, wo er war, bis das Mädchen gleich darauf lächelnd zu ihm aufblickte – und sie war es, die verlegen aussah!
»Darüber bin ich froh«, war alles, was sie antwortete, dann ging sie den Hirschpfad ein paar Schritte weiter hinauf und überließ es Simon, Binabik mit plötzlich unbeholfenen Händen wieder festzubinden. Als er endlich die letzte Schlinge unter dem zottigen Bauch der unendlich geduldigen Wölfin verknotete, sah er plötzlich in das blutleere Gesicht des Trolls, das schlaff und still war wie der Tod, und wurde wütend
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