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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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suchte, und schloss seine Hand darum. Jetzt kamen auch Geräusche von der Nordseite des Berges, fast auf gleicher Höhe mit ihnen. Die Falle schnappte zu.
    »Halt Qantaqa fest!« Er richtete sich auf, kroch ein Stück zur Seite und durchforstete das Gebüsch, bis er einen größeren abgebrochenen Ast fand, so dick wie sein Arm und länger. Er brachte ihn zurück und leerte Binabiks Pulverbeutel darüber aus. Dann legte er ihn sorgfältig neben sich. »Ich mache eine Fackel«, erklärte er und nahm die Feuersteine des Trolls aus dem Beutel.
    »Wird sie uns nicht erst recht verraten?«, fragte das Mädchen, einen Unterton besorgter Neugier in der Stimme. »Ich zünde sie erst an, wenn ich muss«, erwiderte er, »aber wenigstens haben wir dann etwas … etwas zum Kämpfen.«
    Ihr Gesicht lag im Schatten, aber er spürte ihren Blick. Sie wusste ebenso gut, wie wenig ihnen eine solche Geste nützen würde. Er hoffte – und es war eine sehr starke Hoffnung –, dass sie verstehen würde, warum er diesen Versuch unternehmen musste. Der wilde Aufruhr der Hunde war jetzt entsetzlich nahe. Simon konnte das Knacken der niedergetretenen Büsche und die wilden Schreie der Jäger hören. Das Prasseln brechender Zweige wurde lauter. Es kam jetzt von direkt über ihnen am Hang und näherte sich immer mehr – ein viel zu lautes Geräusch für Hunde, dachte Simon, und sein Herz flatterte, als er den Feuerstein gegen einen Stein schlug. Es mussten Berittene sein. Das Pulver sprühte Funken, entzündete sich aber nicht. Im Unterholz krachte es, als überschlag sich ein ganzer Wagen.
    Fang Feuer, verdammt noch mal! Fang Feuer!
    Gerade über ihrem Versteck brach etwas aus dem Dickicht. Marya klammerte sich so fest an seinen Arm, dass es wehtat. »Simon!«, schrie sie, und dann zischte das Pulver und ging inFlammen auf; an der Spitze des Astes erblühte eine flackernde, orangerote Blume.
    Simon sprang in die Höhe und schwang den Ast vor sich. Die Flammen tanzten. Etwas kam krachend durch die Bäume. Qantaqa riss sich aus Maryas Griff los und heulte laut.
    Alptraum! Das war alles, was Simon noch denken konnte, als er die Fackel hob. Das Licht wurde heller und beleuchtete, was da hoch aufgerichtet vor ihm stand.
    Es war ein Riese.
    In dem grauenhaften, gelähmten Augenblick danach kämpfte Simons Verstand darum, zu verarbeiten, was seine Augen sahen – dieses Wesen, das da vor ihm aufragte und im grellen Licht der Fackel hin und her schwankte.
    Zuerst hatte er es für eine Art Bär gehalten, weil es überall mit fahlem, zottigem Fell bedeckt war. Aber die Beine waren zu lang, die Arme und die schwarzhäutigen Hände zu menschlich. Der haarige Scheitel war drei Ellen höher als Simons Kopf, als es sich aus der Mitte nach vorn beugte, die Augen schmal im ledrigen, menschenähnlichen Gesicht.
    Von überall her ertönte das Gebell, wie die Musik eines Höllenchors. Das Ungetüm schlug mit einem langen Klauenarm nach Simon, riss ihm das Fleisch an der Schulter auf und stieß ihn zurück, dass er stolperte und um ein Haar die Fackel fallen gelassen hätte. Das zuckende Licht der Flammen beleuchtete kurz Marya, die mit schreckgeweiteten Augen Binabiks schlaffen Körper umklammerte und aus dem Weg zu zerren versuchte. Der Riese öffnete den Mund und donnerte – nur so konnte man das hallende Brummen bezeichnen, das er ausstieß. Dann stürzte er sich von neuem auf Simon. Der sprang zur Seite, blieb mit dem Fuß hängen und fiel zu Boden. Aber noch bevor das Ungeheuer bei ihm war, verwandelte sich das Grollen, das seine Brust erschütterte, in ein Aufheulen des Schmerzes. Der Riese kippte nach vorn und sackte halb zusammen.
    Qantaqa hatte ihn in einer zottigen Kniekehle erwischt, ein grauer Schatten, der sofort zurücksprang, um gleich wieder nach den Beinen des Ungetüms zu schnappen, das fauchte und nach der Wölfin schlug. Das erste Mal verfehlte es sie, doch beim zweitenMal traf sie die breite Hand, Qantaqa überschlug sich und flog ins Gebüsch.
    Jetzt wandte der Riese sich wieder Simon zu, aber gerade als dieser hoffnungslos seine Fackel hob und ihr zuckendes Licht in den glänzendschwarzen Augen des Riesen widergespiegelt sah, ergoss sich eine brodelnde Flut von Wesen aus dem Unterholz, heulend wie der Wind in tausend hohen Türmchen. Sie umbrandeten das gewaltige Geschöpf wie ein wütendes Meer – Hunde überall, die angriffen und bissen, während der Riese mit seiner Donnerstimme brüllte. Wie eine Windmühle ließ er die Arme kreisen

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