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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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überall gewesen waren, verwandelten sich in schmale Pfade, die sich um die Füße der Waldriesen wanden. Simon hörte auf zu laufen. Sein Blickfeld hatte schwarze Ränder bekommen. Er blieb stehen und fühlte, wie sich die Welt um ihn drehte. Marya ergriff seine Hand und führte ihn ein paar hinkende Schritte zu einem von Efeu überwucherten Steinhaufen, den Simon, als sein Sehvermögen langsam wiederkehrte, als Brunnen erkannte. Er legte Binabiks Körper sanft auf den Rucksack nieder, den Marya getragen hatte, stützte den Kopf des kleinen Mannes mit dem groben Stoff und lehnte sich selber an den Brunnenrand, um Luft in seine überforderten Lungen zu saugen. Seine Seite stach immer noch.
    Marya hockte sich neben Binabik und schubste Qantaqas Nase fort, mit der die Wölfin ihren stummen Herrn anstieß. Qantaqa trat einen Schritt zurück, stieß einen winselnden, verständnislosen laut aus und legte sich dann hin, die Schnauze auf den Pfoten. Simon merkte, dass ihm heiße Tränen in die Augen schossen.
    »Er ist nicht tot.«
    Simon glotzte erst Marya, dann Binabiks farbloses Gesicht an. »Wie?«, fragte er. »Was meinst du?«
    »Er ist nicht tot«, wiederholte sie, ohne aufzublicken. Simon kniete sich neben das Mädchen. Tatsächlich, die Brust des Trolls hob sich beinahe unmerklich. Eine schaumige Blutblase auf seiner Unterlippe pulsierte im selben Rhythmus.
    »Usires Ädon.« Simon wischte sich mit der Hand die tropfende Stirn. »Wir müssen den Pfeil herausholen.«
    Marya sah ihn scharf an. » Bist du verrückt? Wenn wir das tun, fließt das Leben aus ihm heraus! Dann gibt es keine Hoffnung mehr!«
    »Nein.« Simon schüttelte den Kopf. » Der Doktor hat es mir erklärt! Ganz bestimmt hat er es gesagt, nur dass ich nicht weiß, wie ich den Pfeil herausbekommen soll. Hilf mir, ihm die Jacke auszuziehen.«
    Als sie einen Augenblick vorsichtig an der Jacke herumgezupft hatten, sahen sie ein, dass es keine Möglichkeit gab, sie auszuziehen, bevor sie den Pfeil entfernt hatten. Simon fluchte. Er brauchte etwas, um die Jacke aufzuschneiden, etwas Scharfes. An einem Riemen drehte er den Rucksack und fischte darin herum. Dabei freute er sich trotz aller Sorge und Pein, den Weißen Pfeil zu entdecken, immer noch in seiner Hülle aus Lumpen. Er zog ihn heraus und begann den Knoten zu lösen, der die Stoffstreifen zusammenhielt.
    »Was tust du da?«, fragte Marya ungeduldig. »Haben wir nicht genug Pfeile gesehen?«
    »Ich brauche etwas Scharfes zum Schneiden«, brummte er. »Es ist ein Jammer, dass wir ein Stück von Binabiks Stab verloren haben – es war das mit dem Messer darin.«
    »Ist es das, was du suchst?« Marya griff in ihr Hemd und zog ein kleines Messer in einer Lederscheide heraus, die ihr an einemRiemen um den Hals hing, »Geloë meinte, ich sollte es mitnehmen«, erklärte sie, nahm es aus der Scheide und reichte es ihm. »Gegen Bogenschützen hilft es allerdings nicht viel.«
    »Und Bogenschützen helfen nicht viel dabei, Brücken vor dem Einsturz zu bewahren, gottlob.« Simon begann das geölte Leder durchzusägen.
    »Glaubst du, dass es nur das war?«, fragte Marya nach einer Weile.
    »Was willst du damit sagen?«, keuchte Simon. Die Arbeit war hart, aber er hatte die Jacke jetzt von unten aufgeschnitten, vorbei an dem Pfeil. Eine klebrige Masse geronnenen Blutes wurde sichtbar. Er zog die Messerklinge weiter nach oben, zum Kragen hinauf.
    »Dass die Brücke so einfach … einstürzte.« Marya sah hinauf in das Licht, das durch das verschlungene Laubwerk sickerte. »Vielleicht waren die Sithi zornig über das, was da in ihrer Stadt vorging.«
    »Pah.« Simon biss die Zähne zusammen und durchtrennte das letzte Stück Leder. »Die Sithi, die noch leben, wohnen hier nicht mehr, und wenn die Sithi nicht sterben, wie mir der Doktor erzählt hat, gibt es auch keine Geister hier, die Brücken zum Einsturz bringen könnten.« Er breitete die beiden Flügel der zerschnittenen Jacke auseinander und zuckte zusammen. Der Rücken des Trolls war bedeckt mit geronnenem Blut. »Du hast doch gehört, wie der Rimmersmann Heahferth zuschrie, er solle mit dem Pferd von der Brücke bleiben. Und jetzt, verdammt noch mal, lass mich nachdenken!«
    Marya hob die Hand, als wollte sie ihn schlagen; Simon sah auf, und ihre Blicke trafen sich. Erst jetzt bemerkte er, dass das Mädchen auch geweint hatte. »Ich habe dir mein Messer gegeben!«, sagte sie.
    Simon schüttelte verwirrt den Kopf. »Es ist nur … dieser Teufel Ingen hat

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