Der Drachenbeinthron
mehr als nur ein paar Knochenbrüche ein.«
»Ich war …«, stotterte Simon und merkte, dass noch immer ein dunkler Nebel seine Gedanken umwölkte, »ich …«
» Dorn?« , fragte Strupp laut und reagierte damit auf etwas, das Isgrimnur gerade gesagt hatte. Simon drehte sich um und sah den kleinen Narren am Mantel des Herzogs zupfen wie ein zudringliches Kind. » Dorn, habt Ihr gesagt? Und warum seid Ihr damit nicht gleich zu mir gekommen? Warum nicht zum alten Strupp? Wennüberhaupt einer, dann weiß ich alles, was es darüber zu wissen gibt!«
Der Alte wandte sich an Simon und den Harfner. »Wer war denn länger als alle anderen bei unserem Johan? Wer? Ich natürlich. Hab Witze für ihn gemacht und Kunststücke und Musik, sechzig Jahre lang. Und für den großen Camaris auch. Ich habe ihn erlebt, wie er an den Hof kam.« Er drehte sich wieder zum Herzog um, und in seinen Augen leuchtete etwas auf, das Simon noch nicht gesehen hatte. »Ich bin der Mann, den Ihr sucht«, verkündete Strupp stolz. »Schnell! Bringt mich zu Prinz Josua.«
Der krummbeinige alte Narr schien fast zu tanzen, so leicht waren seine Schritte, als er dem sprachlosen Rimmersmann zu den Stufen voraneilte.
»Dank sei Gott und seinen Engeln«, bemerkte Sangfugol und schaute ihnen nach. »Ich schlage vor, dass wir uns jetzt sofort etwas einverleiben – etwas Feuchtes, das von innen die äußere Feuchtigkeit ausgleicht.«
Er führte den noch immer kopfschüttelnden Simon von den verregneten Zinnen in das hallende, von Fackeln erleuchtete Treppenhaus hinunter, für eine kleine Weile hinaus aus der Reichweite der Nordwinde, hinein ins Warme.
»Wir kennen Eure Rolle bei diesen Ereignissen, guter Strupp«, sagte Josua ungeduldig. Der Prinz hatte sich wie zum Schutz gegen die alles durchdringende Kälte einen Wollschal um den Hals geschlungen. Die Spitze seiner schmalen Nase war rosa.
»Ich decke nur sozusagen den Tisch, Hoheit«, meinte Strupp ungerührt. »Wenn ich einen Becher Wein bekommen könnte, um meine Zunge geschmeidiger zu machen, würde ich unverzüglich zum Hauptgang kommen.«
»Isgrimnur«, stöhnte Josua, »wäret Ihr wohl so gut, unserem ehrwürdigen Narren etwas Trinkbares zu suchen, sonst fürchte ich, dass wir bis zur Ädonszeit hier sitzen und des Rests der Geschichte harren müssen.«
Der Herzog von Elvritshalla trat zu dem Zedernholzschrank neben Josuas Tisch und fand einen Krug mit Rotwein aus Perdruin. »Hier«, sagte er und reichte Strupp einen gefüllten Humpen. Der Narr nahm einen Schluck und lächelte.
Es ist nicht der Wein, den er haben will, dachte der Rimmersmann, es geht ihm um die Beachtung. Die Zeiten sind schlimm genug für die Jungen und Tüchtigen, wie dann erst für einen alten Gaukler, dessen Herr seit zwei Jahren tot ist.
Er starrte in das runzlige Gesicht des Narren, und es war ihm, als erblicke er dahinter wie durch einen dünnen Vorhang die gefangenen Züge des Kindes.
Gott, gib mir einen schnellen, ehrenhaften Tod, betete Isgrimnur, damit ich nicht einer von diesen alten Trotteln werde, die am Lagerfeuer sitzen und den jungen Männern erzählen, dass früher alles besser war. – Und doch, dachte er, als er zu seinem Stuhl zurückging und auf das Wolfsgeheul des Windes draußen horchte, vielleicht ist es diesmal sogar wahr. Vielleicht haben wir wirklich bessere Tage gesehen. Vielleicht wartet wirklich nichts mehr auf uns als eine aussichtslose Schlacht gegen die herannahende Finsternis.
»Wisst Ihr«, begann Strupp wieder, »Camaris’ Schwert Dorn ist nämlich nicht mit ihm untergegangen. Er hatte es in die Obhut seines Knappen gegeben, Colmund von Rodstanby.«
»Ihm sein Schwert gegeben?«, fragte Josua ratlos. »Das passt zu keiner der Geschichten, die ich je über Camaris-sá-Vinitta gehört habe.«
»Ja, aber Ihr kanntet ihn nicht in diesem letzten Jahr … und wie könntet Ihr auch, da Ihr doch gerade erst auf die Welt gekommen wart?« Strupp nahm einen weiteren Zug und starrte sinnend zur Decke. »Nachdem Eure Mutter, Königin Ebekah, starb, wurde Herr Camaris seltsam und wunderlich. Er war, Ihr wisst es, ihr besonderer Beschützer, und er betete den Boden an, auf den sie ihren Fuß setzte – als wäre sie Elysia selbst, die Mutter Gottes. Ich habe immer gedacht, dass er sich Vorwürfe wegen ihres Todes machte, so als ob er ihre Kränklichkeit mit Waffengewalt hätte heilen können … oder durch die Reinheit seines Herzens … armer Tor.«
Isgrimnur, der Josuas Ungeduld sah, beugte
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